Am Freitag, 21. Februar schlug die Stunde null. An diesem Tag verstarb im Kleinstädtchen Vo' Euganeo in der norditalienischen Provinz Padua der erste Patient Italiens (und Europas) an den Folgen einer Covid-19-Infektion. Die Zahl der landesweit registrierten Corona-Infizierten lag damals noch bei 25 – heute sind es um die 60.000.

Zwei Tage nach dem Todesfall, am 23. Februar, wurde Vo' zusammen mit zehn weiteren Kleinstädten mit insgesamt 50.000 Einwohnern zur "roten Zone" erklärt und mit Straßensperren abgeriegelt. Alle Infizierten wurden unter strikte Quarantäne gestellt und durften ihre Häuser nicht mehr verlassen.

Die Treppe vor dem Kapitolsplatz mit dem römischen Rathaus so, wie man sie selten sieht: völlig menschenleer.
Foto: EPA/MASSIMO PERCOSSI

Seit dieser Stunde null hat die Regierung das Land schrittweise heruntergefahren – wie ein Atomkraftwerk oder einen Hochofen. Es folgte die Schließung aller Schulen, Kindergärten und Universitäten, der Bars und Restaurants, von Kinos und Museen – zuerst "nur" in der Lombardei und 14 weiteren Provinzen, dann in ganz Italien. Sämtliche öffentlichen Veranstaltungen wurden verboten, die Fußballmeisterschaft – etwas vom Heiligsten in Italien – abgebrochen.

Praktisch kein Flugverkehr mehr

Das öffentliche Leben kam zum Erliegen; faktisch herrscht eine Ausgangssperre. Und nun wurden zuletzt auch noch die Fabriken geschlossen. In den Straßen und auf den Plätzen des Belpaese herrscht eine gähnende, gespenstische Leere. Auch am azurblauen, frühlingshaften Himmel: Von den beiden großen Mailänder Flughäfen sind am vergangenen Mittwoch gerade noch 16 Flüge gestartet; vor dem 21. Februar waren es an einem normalen Tag 700. Am römischen Flughafen Fiumicino ist der Flugverkehr um 80 Prozent eingebrochen. Die einzige Fluggesellschaft (außer Alitalia), die derzeit noch Interkontinentalflüge von und nach Italien anbietet, sind die Ethiopian Airlines: Destination Addis Abeba.

(Fast) nichts geht mehr an Italiens Flughäfen. Im Bild: Milano Linate.
Foto: imago images/Independent Photo A

Von den 200 Frecciarossa-Schnellzügen, die bis vor kurzem noch den Süden und den Norden des Landes verbunden haben, verkehren im Moment gerade noch 14. Der Privatverkehr auf den Autobahnen hat um 70 Prozent abgenommen, das Passagieraufkommen in den öffentlichen Bussen, Straßenbahnen und U-Bahnen Mailands ebenfalls.

Badesaison vorerst abgesagt

Rom hat den Fahrplan des öffentlichen Nahverkehrs schon vor Tagen auf den stark reduzierten Sommerferienbetrieb umgestellt. Sogar der landesweite Stromverbrauch nahm ab: um zehn Prozent.

Eine der wichtigsten Branchen des Landes, der Tourismus, ist so gut wie tot: Nach einem Tsunami von Stornierungen Ende Februar haben 95 Prozent der Hotels, Herbergen und Bed & Breakfasts ihre Betriebe geschlossen. Stark gefährdet ist auch die Saison der 30.000 privaten Strandbäder, der "stabilimenti balneari", die zu Ostern beginnen sollte.

Die wirtschaftlichen Schäden der Epidemie – die schon längst zur Pandemie wurde – gingen schon vor der Schließung der Fabriken in die Milliarden, dem Land droht eine neue, tiefe Rezession. Die Mailänder Börse hat seit Beginn der Epidemie 37 Prozent eingebüßt; Börsenwerte von 215 Milliarden Euro gingen in Rauch auf.

Schon gehört?

Nur wenige Krisengewinnler

Es gibt aber auch einige wenige Gewinner in der Krise: Seit sich die rund 60 Millionen Italiener nicht mehr am Arbeitsplatz, in der Bar, auf der Piazza oder am Strand treffen können, steigt die Nachfrage nach Telekommunikation: Der Traffic in den italienischen Festnetzen ist um 90 Prozent angestiegen, jener in den Mobilnetzen um 30 Prozent.

Auch der gute alte Fernseher ist wieder in Mode gekommen: Der Staatssender RAI und Silvio Berlusconis Mediaset-Kanäle verzeichnen durchschnittlich 30 Prozent mehr Zuseherinnen und Zuseher als vor der Epidemie.

Die Gesänge an den Fenstern und auf den Balkonen, um sich gegenseitig Mut zu machen, sind weitgehend verstummt.
Foto: imago images/Italy Photo Press

Der 21. Februar hat das Leben auf den Kopf gestellt: Bezeugungen der Freude und der Zuneigung wie Umarmungen und Küsse sind nun offiziell Delikte gegen die öffentliche Gesundheit. Die Italiener gehen sich – sofern sie überhaupt noch gehen – aus dem Weg. Die Gesänge der ersten Quarantäne-Tage auf den Balkons, mit denen sich die in ihren eigenen vier Wänden Eingeschlossenen gegenseitig Mut machten, sind verstummt. Anstelle der Solidarität haben sich Angst und Misstrauen breitgemacht: In den sozialen Netzwerken wird der Einsatz der Armee gefordert, um die Ausgangssperre durchzusetzen. (Dominik Straub aus Rom, 23.3.2020)