"You are a typical Corona case", sagte die Ärztin der bosnischen Coronavirus-Hotline, als ich sie anrief und von meinem Husten und dem Wummern im Kopf erzählte. Es gebe für ganz Bosnien-Herzegowina aber nur 200 Tests, also keine Chance. Freilich müsse ich für zwei Wochen zu Hause bleiben.

Seitdem bekomme ich jeden Tag in der Früh Besuch von einem sehr lieben Polizisten, der an meine Haustür pumpert. Dann suche ich schnell die Schutzmaske, die ich mir im Jänner gekauft habe, als die Luftverschmutzung hier in Sarajevo wieder einmal "Weltspitze" war.

Der Polizist sollte eigentlich nur kontrollieren, ob ich die Selbstisolation einhalte, aber er erkundigt sich stets nach meinem Befinden. "Alles gut?", fragt er. Wir sind etwa sieben Meter voneinander entfernt. Näher wäre schöner, aber ich bin dankbar, dass es einen derart fürsorglichen bosnischen Staat gibt.

Adelheid Wölfl, Korrespondentin für Südosteuropa, ist zurzeit in Sarajevo in Selbstisolation.
Foto: Adelheid Wölfl

"War er heute schon da?", fragen mich deshalb Freundinnen. Freunde laufen jetzt überhaupt zur Höchstform auf. Sie bringen mir am Abend Lebensmittel und Blumen. Bevor sie kommen, rufen sie an, und ich öffne das Gartentor. Dann, wenn sie da sind, sehen wir uns – die Fensterscheibe natürlich dazwischen – und telefonieren. Fensterln könnte man es auch nennen.

In meiner Einsamkeit ist überhaupt viel los. Das Telefon klingelt, weil der Trump-Sozius, Richard Grenell, einen Coup im Kosovo durchzieht. Die armen Kosovaren können jetzt nicht einmal demonstrieren. Ein Verhängnis. Mit Freunden haben wir einen Corona-Morgenkreis wie im Kindergarten eingerichtet – ein Gruppentelefonat.

Als gehöre sie ihnen

Der Muezzin gibt mir zumindest alle paar Stunden das Gefühl, dass es etwas gibt, das alles überdauert. Das Wichtigste sind die Skype-Gespräche mit meinen über alles geliebten Eltern. Als ich am Montag sicher war, dass sie keine Kontakte mehr haben, begann ich zu zählen. 14 Tage. Wenn bis dahin nichts ist, sind sie virusfrei. Und ich zähle.

Ich weiß nicht, ob mein Husten vom Covid-19-Virus stammt. Ich wünschte, es wäre so. Dann wäre ich immun und könnte meine Eltern besuchen. Sorgen machen mir die fehlenden Beatmungsgeräte hier. Der Ernst wird aber begriffen. Aus dem Fenster sehe ich: Die Gondeln auf den Hausberg haben angehalten.

Die Leute in Sarajevo sind trotzdem cool: "Was willst du? Wir wurden dreieinhalb Jahre lang bombardiert! Das ist nur ein Virus." Das Virus ist wirklich leiser als ein Krieg. So leise, dass die Pferde in der Nacht von den Bergen kommen und durch die Stadt spazieren, als gehöre sie ihnen. (Adelheid Wölfl, 23.3.2020)