In mindestens 34 Ländern und Gebieten, unter anderem in Italien, Frankreich und im US-Bundesstaat Kalifornien, sind Ausgangssperren verpflichtend.

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New York/Berlin/Madrid – Im Kampf gegen das Coronavirus gelten rund um den Globus inzwischen für mehr als eine Milliarde Menschen Ausgangssperren oder -beschränkungen. Weltweit schränkten mittlerweile mehr als 50 Länder und Gebiete die Bewegungsfreiheit ihrer Bürger ein.

In mindestens 34 Ländern und Gebieten, unter anderem in Italien, Frankreich und im US-Bundesstaat Kalifornien, sind die Ausgangssperren verpflichtend. Sie betreffen mehr als 659 Millionen Menschen. In den meisten Ländern dürfen die Menschen aber immer noch in die Arbeit, Einkaufen und zum Arzt gehen. Einige Länder riegelten Großstädte ab. Ein- und Ausreisen sind etwa in den 27 größten Städten in Bulgarien, in Almaty und Nur-Sultan in Kasachstan sowie in Baku in Aserbaidschan verboten. Die betroffenen Städte haben zusammen fast zehn Millionen Einwohner.

Kleingeredet

Zugespitzt hat sich die Krise in den USA. Von New York bis Los Angeles an der Westküste unterliegt nun fast ein Drittel der 330 Millionen Amerikaner Ausgangsbeschränkungen. Der Bundesstaat New York ist bisher mit mehr als 15.000 Sars-CoV-2-Infektionen landesweit am schlimmsten betroffen. In der Metropole New York sind die meisten Geschäfte und viele Restaurants geschlossen, die Krankenhäuser sagen alle nicht notwendigen Eingriffe ab. Die Stadt bemühte sich verzweifelt, mehr Intensivbetten zu schaffen. Ein Lazarettschiff des US-Militärs mit 1.000 Betten sollte bald eintreffen.

Viele Gouverneure klagen, dass die Regierung von US-Präsident Donald Trump nicht genug tue und dass es zum Beispiel an Masken und Schutzkleidung fehle. Trump schlug daraufhin – entgegen geltenden Vorschriften – vor, Krankenhäuser könnten Masken einfach desinfizieren und wiederverwenden. Der Präsident hatte die Epidemie noch bis Ende Februar kleingeredet und muss sich daher inzwischen den Vorwurf gefallen lassen, die Krise durch zu spätes Handeln angefacht zu haben.

Überlastet

In Deutschland zeigte man sich am Montag vorsichtig optimistisch, dass die getroffenen Maßnahmen bald greifen könnten. "Wir sehen den Trend, dass sich die exponentielle Wachstumskurve etwas abflacht", sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. Für wirklich fundierte Aussagen sei es aber noch zu früh. Vor einer Woche waren in Deutschland weitgehend Schulen und Kindergärten geschlossen worden. Auch andere öffentliche Einrichtungen wie Klubs machten dicht, zudem wurden die Öffnungszeiten zunächst stark eingeschränkt. Laut Johns-Hopkins-Universität (JHU) gab es im Land (Stand Montag, 13 Uhr) 24.904 Infizierte.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Deutschland, der Schweiz und Luxemburg für ihre Bereitschaft zur Aufnahme schwer kranker Corona-Patienten gedankt. Besonders im Elsass sind Krankenhäuser überlastet. Die französische Armee hatte vergangene Woche damit begonnen, erste Patienten von dort nach Südfrankreich zu verlegen. Auch ein Militärlazarett mit 30 zusätzlichen Intensivbetten ist im elsässischen Mülhausen im Aufbau. Unterdessen wurde der Tod von zwei weiteren Ärzten gemeldet, die sich infiziert hatten. Die JHU meldete für das ganze Land 16.257 Infizierte.

Schlingerkurs

In Großbritannien (JHU: 5.748 Infizierte) werden Streitkräfte bei der Verteilung von Hilfsgütern an medizinisches Personal der staatlichen Kliniken eingesetzt. Ärzte und Krankenpfleger sollen mehr Schutzausrüstungen wie Masken, Schürzen, Sicherheitsbrillen und Handschuhe bekommen. Fast 4.000 Angestellte des staatlichen Gesundheitsdienstes National Health Service (NHS) hatten zuvor Premierminister Boris Johnson aufgefordert, das Leben der Lebensretter zu schützen und den inakzeptablen Mangel zu beseitigen. Der NHS ist seit Jahren chronisch unterfinanziert und marode. Es mangelt auch an Beatmungsgeräten für Lungenkranke. Johnson hat nach Ansicht vieler Kritiker viel zu spät auf die Pandemie reagiert und durch einen Schlingerkurs auch noch wertvolle Zeit verloren. Es wird befürchtet, dass die Lage schlimmer als in Italien werden könnte. Inzwischen wurde der Zugverkehr unter staatliche Kontrolle gestellt.

In Spanien steigt die Zahl der Corona-Infizierten trotz aller bisherigen Maßnahmen weiter an. Bis Montagmittag wurden von den Behörden rund 33.000 Fälle bestätigt, 14 Prozent mehr als am Vortag. Die Zahl der Toten kletterte auf knapp 2.200, von 1.720 am Sonntag. Allein in der Region Madrid, dem Zentrum der Krise in Spanien, lag die Zahl der Todesopfer bei rund 1.200. Nach Italien ist Spanien das am heftigsten betroffene Land Europas.

Lieferungen starten

Spaniens König Felipe VI. hat der Regierung im Kampf gegen das Coronavirus seine königliche Garde zur Verfügung gestellt. Diese umfasst etwa 1.500 Männer und Frauen, die normalerweise für den Schutz des Königs und seiner Familie verantwortlich sind. Im besonders schwer von der Krise betroffenen Spanien sind bereits tausende Soldaten im Einsatz, um bei der Eindämmung des Virus zu helfen. Die Militärische Nothilfeeinheit UME, Heer und Marine überwachen unter anderem die Einhaltung der Ausgangssperre, verhindern Menschenaufläufe (etwa in U-Bahn-Stationen oder Hauptbahnhöfen) und desinfizieren öffentliche Einrichtungen.

Nach Unstimmigkeiten zwischen Italien und Prag wegen einer Lieferung von Atemschutzmasken aus China, die in Lovosice konfisziert worden ist, ist diese am Montag schließlich doch nach Italien gestartet. Masken und sanitäre Geräte fuhren von der Tschechischen Republik Richtung Rom. Die Ausrüstung befand sich an Bord eines Busses mit rund 40 Italienern, die ebenso in ihre Heimat zurückkehren. Mit laut JHU-Zählung 59.138 Infizierten und 5.406 Toten gehört der Stiefelsaat neben China zu den Hauptbetroffenen der Corona-Krise.

Grenzkontrollen

Mitten in der Pandemie hat die kroatische Hauptstadt Zagreb mit den Folgen eines starken Erdbebens zu kämpfen, bei dem 27 Menschen verletzt und zahlreiche Gebäude beschädigt worden sind. Unterdessen verschärften die Behörden in Kroatien die Bewegungseinschränkungen weiter, um die Corona-Epidemie einzudämmen.

In Griechenland ist eine landesweite Ausgangssperre in Kraft getreten. In der Hauptstadt Athen waren in der Früh fast keine Menschen auf der Straße. Es war auch deutlich weniger Verkehr als in den Vortagen.

Insgesamt haben 15 europäische Staaten Grenzkontrollen im eigentlich kontrollfreien Schengenraum eingeführt. Über das Wochenende kamen Belgien und Luxemburg hinzu, wie die EU-Kommission mitteilte. Neben Österreich haben somit zwölf weitere EU-Staaten Kontrollen bei der Brüsseler Behörde gemeldet. Hinzu kommen die Schweiz und Norwegen, die ebenfalls zum Schengenraum gehören.

Verordnung

Montenegro hat einen ersten Coronavirus-Toten gemeldet. Der 65-jähriger Mann, der am Samstagabend ins Krankenhaus in Podgorica aufgenommen wurde, hatte sich laut Amtsangaben in der ersten Monatshälfte in Serbien aufgehalten.

Zu Hause bleiben oder in die Datscha aufs Land fahren – das hat der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin allen Bürgern über 65 verordnet. Die älteren Moskauer sowie chronisch Kranke müssten ab Donnerstag bis zum 14. April daheim bleiben, erläuterte Sobjanin am Montag in einem Video auf seiner Website. Nur Einkäufe und der Gang zur Apotheke seien gestattet. Der Moskauer Bürgermeister koordiniert Russlands Maßnahmen gegen die Pandemie.

Im Iran ist die Zahl der Coronavirus-Toten noch einmal drastisch angestiegen. Das Land meldete am Montag 127 neue Todesfälle. Damit stieg die Gesamtzahl der Todesfälle durch das neuartige Coronavirus auf 1.812. Der Iran ist eines der am stärksten von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Länder der Welt. Die Gesamtzahl der Infektionen gab das Gesundheitsministerium in Teheran am Montag mit 23.049 an. Das war ein Anstieg um 1.411 Fälle innerhalb von 24 Stunden.

Einreise verboten

Auch in Neuseeland spitzt sich die Corona-Krise zu. Dort hat es mutmaßlich die ersten beiden Virusübertragungen innerhalb des Landes gegeben. Premierministerin Jacinda Ardern kündigte die Schließung von Bars, Cafés und Geschäfte für den nicht dringend notwendigen Bedarf an.

Hongkong hat allen Menschen, die nicht in der chinesischen Sonderverwaltungszone leben, die Einreise verboten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate schotten sich ab. In Taiwan muss man umgerechnet bis zu 31.000 Euro für Verstöße gegen angeordnete Selbstisolation zahlen.

China kämpft unterdessen mit importierten Coronavirus-Fällen: Wie die Pekinger Gesundheitskommission mitteilte, wurden bei Menschen, die in das Land eingereist sind, 39 weitere Infektionen nachgewiesen. Insgesamt zählt China damit bisher 353 Infektionen durch sogenannte Coronavirus-Importe. Allerdings gab es nach den offiziellen Angaben erneut keine Infektion innerhalb des Landes mehr. In der zentralchinesischen Provinz Hubei, von wo das Virus Sars-CoV-2 sich ab Ende 2019 weltweit auszubreiten begann, starben weitere neun Menschen. China als Ausgangspunkt ist mit mehr als 81.000 Infizierten weiter das am stärksten betroffene Land. (APA, AFP, 23.3.2020)