Humor als Ventil: Je schlimmer die Realität wird, desto schwärzer werden auch unsere Witze darüber. Hier ein paar harmlose Beispiele: Gott desinfiziert Adams Hand.
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Ein Mann mit Winterjacke, Kopfhörern und Smartphone in der Hand hält sich an einer Duschstange fest. Der Text darunter: "When you miss your daily life." Binnen kürzester Zeit hat sich ein neues Genre in der Welt der Satire etabliert: der Corona-Witz. Egal, auf welcher Plattform man sich bewegt, sei es Twitter, Youtube oder Instagram, wird er in Form von Memes (Bild plus Textkommentar) oder Videos erzählt – ob man das will oder nicht. Bekannte schicken (vermeintlich) humoristische Viruswitze auf Whatsapp, und auch unter Kollegen boomen Schutzmasken-Cartoons im Homeoffice-Chat.

Game over?
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Insbesondere jene Witze, die auf die Umstellung unseres alltäglichen Lebens Bezug nehmen, sind in der Onlinewelt en vogue: So die für die Krise sinnbildliche Klopapierrolle oder der Gag, dass während in Frankreich Rotwein und Kondome gehamstert werden, es hier Klopapier und Mehl sind. Ein ebenso gern verwendetes Motiv ist die mexikanische Biersorte Corona, die alle anderen Bierflaschen in Angst versetzt und zwecks der Vermarktung auf Ebola umgetauft wird.

Quarantäne-Ohrwurm: "My Corona".
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Aber warum machen Menschen Witze über ein so ernstes Thema? Vergessen wir, dass aktuell tausende Menschen an einem pandemischen Virus sterben? "Humor funktioniert wie ein Ventil", erklärt die klinische Psychologin und Humorforscherin Doris Bach, die auch Präsidentin des Clini-Clowns-Forschungsvereins ist. "Die Fähigkeit, Humor zu haben, ist etwas ganz Großartiges – gerade jetzt. Für Sekunden kann man sich durch diesen Schutzmechanismus von Emotionen wie Angst oder Wut distanzieren. Die Situation selbst verändert sich dadurch zwar nicht, aber die eigene Stimmung", sagt Bach.

Vor allem jene Witze, die sich auf die Umstellung unseres alltäglichen Lebens beziehen, sind in der Onlinewelt en vogue.
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Best of Corona und Rassismus

Sucht man gezielt nach Corona-Witzen, finden sich online ganze Best-of-Listen: Der Burgenländer trägt ein Weinglas als Mundschutz, Menschen stellen fest, dass ihr Leben eigentlich immer in der Quarantäne stattfindet. Geschüttelte Hände werden abgesägt – oder so lange gewaschen, bis sie aussehen wie jene vom Terminator. Auch andere Filmstills funktionieren als Meme: So steht über Jack Nicholsons gruseligem Grinsen aus The Shining: "Nur ein paar Wochen Isolation mit der Familie – was kann da schon schiefgehen?" Auf Youtube wird das Lied My Sharona in den Quarantäne-Ohrwurm My Corona umgedichtet.

Doch nicht alle kursierenden Witze zeugen von dieser harmlosen eskapistischen Qualität. Gewalt, rassistische Inhalte und Verharmlosungen mischen sich darunter. Menschen mit asiatischem Aussehen werden zum Symbol der Übertragung, auf Infizierte wird sogar geschossen.

Wie weit darf Satire gehen? Das Video "Corona rettet die Welt" der satirischen Onlineshow "Bohemian Browser Ballett" stieß auf vehemente Kritik im Netz.
Bohemian Browser Ballett

In die Kritik gerieten unter anderem der von Ai Weiwei auf Instagram gepostete Witz "Das Coronavirus ist wie die Pasta. Die Chinesen haben sie erfunden und die Italiener haben sie verbreitet" oder die von der Wiener Kabarettistin Lisa Eckhart als Aufhänger verwendeten Aussagen über "Schlitzaugen" und "große Nasen". Auch ein Video des ARD-Onlinesenders Funk sorgte für Furore, weil es Covid-19 als etwas Positives darstellte, das endlich unseren vom "Turbokapitalismus" gebeutelten und überbevölkerten Planeten von den weißen alten Männern bereinige.

"Chill out! Have a Corona"

Natürlich liegt es in der Natur der Satire, Grenzen zu überschreiten. Wo diese genau liegen, hängt sehr stark von der individuellen Humorqualität ab, erklärt Bach. Solange diese Witze seicht seien, würden sie auch niemanden angreifen. Problematisch werde es aber, sobald Menschen angefeindet werden. "Wirklich kritisch kann Satire werden, wenn Inhalte nicht als Humor verstanden werden, sondern als Aufforderung", so die Humorforscherin.

Realität vs. Satire: Donald Trump.
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Ob Corona-Witze abflachen, wenn mehr Menschen betroffen sind, glaubt Claus Lamm, Empathieforscher an der Universität Wien, allerdings nicht. "Gerade dann wird man sie noch mehr brauchen. Witz oder Humor stellen ja nicht die Existenz des Virus und seine objektive Bedrohlichkeit infrage, sondern verschaffen einen Moment Pause." Auch Doris Bach ist sich sicher: "Je größer die Katastrophe wird, desto beißender wird auch unser Humor werden."

Wirft UK-Premier Boris Johnson sein Volk dem Virus zum Fraß vor?
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Dass die Katastrophe noch größere Dimensionen annehmen wird, scheint momentan wahrscheinlich. In den Charts der Corona-Komik reihen sich auch Witze ein, die sich über Politiker wie Boris Johnson oder Donald Trump lustig machen. "Chill out! Have a Corona" steht da über einem zuprostenden Trump. Johnson wird als machtgieriger Regent dargestellt, der seine Untertanen dem Virus zum Fraß vorwirft. Und sind die drei Clowns da etwa seine engsten Berater? Gefährlich wird es, wenn Satire und Realität verschwimmen und der Corona-Witz zum Corona-Ernst wird. (Katharina Rustler, 23.3.2020)