Einen außerordentlichen Zivildienst und ein Studium unter einen Hut zu kriegen ist keine leichte Aufgabe. Viele Fragen potenziell freiwilliger Studenten sind noch offen.

Foto: Urban

Seit einer Woche appelliert die Regierung geradezu täglich an frühere Zivildiener, erneut den Dienst an der Gesellschaft anzutreten. Drei Monate soll dieser – historisch erstmals ausgerufene – außerordentliche Zivildienst dauern, um in der dräuenden Corona-Hochphase das Gesundheits- und Betreuungspersonal zu entlasten. Noch aktive Zivis, die eigentlich demnächst fertig gewesen wären, haben keine Wahl: Diese 4.500 jungen Männer werden zur Verlängerung verpflichtet. Gesetzlich wäre es sogar möglich, alle früheren Zivildiener unter 50 zum nochmaligen Einrücken zu verpflichten, doch vorerst setzt die zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) auf deren freiwilliges Engagement.

Fähigkeiten noch nicht eingerostet

Besonders im Fokus stehen dabei jene, die in den vergangenen fünf Jahren ihren Zivildienst abgeschlossen haben. Das erscheint auch naheliegend, denn bei dieser Gruppe dürften die Fähigkeiten und Kenntnisse noch nicht vollends eingerostet sein. Zudem sind darunter viele Studierende, die noch nicht voll im Erwerbsleben stehen, und das Mindestgehalt beträgt immerhin rund 1.300 Euro netto im Monat.

Die Entscheidung für den freiwilligen Zivildienst ist trotzdem keine leichte, wie der 21-jährige Paul Hueber weiß, der an der TU Graz im vierten Semester Informatik studiert. Er hat seinen Zivildienst mit der Pflege und Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen verbracht und hat sich nun gemeldet, um bei der Entlastung der professionellen Pfleger mitzuhelfen. Doch nur weil die Unis momentan geschlossen sind, heißt das nicht, dass es im Studium nichts zu tun gibt – die Lehrveranstaltungen finden bloß ohne physische Präsenz statt. Paul Hueber fürchtet, dass sein Studium durch den Vollzeitjob als Zivi blockiert würde, und hat sich deshalb an die Uni gewandt, um eine Lösung zu finden.

Uni bemüht, aber unverbindlich

Dort wurde ihm zugesichert, dass man sich so weit wie möglich bemühen werde, Studienverzögerungen für Zivis zu vermeiden, doch eine klare und verbindliche Regelung gibt es bisher nicht. "Mir ist bewusst, dass die Situation für die Uni eine neue Herausforderung darstellt, doch es muss eine Lösung gefunden werden, die Studenten nicht benachteiligt, wenn sie sich zur Aushilfe bereiterklären", sagt Hueber. Das Wissenschaftsministerium weist auf die ausgedehnte Frist einer Beurlaubung vom Studium hin, die Zivildiener beantragen können. Für den Informatikstudenten ist das keine sinnvolle Option, denn im Urlaubssemester darf man prinzipiell keine Prüfungen ablegen: "Das würde mich ein ganzes Semester kosten." Er wünscht sich ein Sonderangebot von Lehrveranstaltungen und Prüfungen in den Sommermonaten und eine Lockerung der Deadlines, damit die Freiwilligen eine Chance haben, Leistungen nachzubringen.

Wenig Zeit für Aufnahmetests

Auch im Ministerium denkt man über eine Verlängerung des Semesters nach, zumal die Hochschulen womöglich länger geschlossen bleiben als bis Ostern. Zivis, die ihren – meist direkt nach der Matura begonnenen – Dienst verlängern müssen, sind hingegen wegen der Aufnahmeverfahren besorgt, die regelmäßig im Frühling an Unis und Fachhochschulen abgehalten werden. Wer 40 Stunden pro Woche im Rettungsauto sitzt, hat weder den Kopf noch die Vorbereitungszeit für Aufnahmeprüfungen. "Eine Verschiebung zumindest einiger Aufnahmeverfahren ist aus heutiger Sicht jedenfalls wahrscheinlich", heißt es dazu aus dem Wissenschaftsministerium.

Was es nun jedenfalls braucht: rasche Festlegungen für den Umgang von Hochschulen mit den Sonderzivis, damit ein freiwilliges Engagement nicht länger einem Sprung ins Ungewisse gleicht. Zivildienstministerin Köstinger versicherte, sie werde mit dem Wissenschaftsministerium eine für die Studenten vorteilhafte Regelung ausarbeiten, denn der außerordentliche Zivildienst solle letztlich "eine Belohnung zur Folge haben". (Theo Anders, 23.3.2020)