Klimaaktivistin Greta Thunberg rief Klimaschützer Ende Jänner dazu auf, große Veranstaltungen zu meiden. Seither hat sich Fridays for Future in die digitale Welt bewegt.

Foto: AFP

Der Flugverkehr ist mehr oder weniger eingestellt, Autos bleiben in Garagen, und Fabriken stehen still. Neben den weitreichenden negativen Konsequenzen der Corona-Pandemie könnte es auch einen Profiteur in der Krise geben: die Umwelt. Von einer Trendumkehr in der Klimakrise sei zwar noch lange keine Rede, sagen Experten, kurzfristig verschafft das Virus der Umwelt jedoch eine Verschnaufpause.

Das zeigte sich in den vergangenen Wochen in China. Durch die stark eingeschränkte Produktion und den Verkehrsrückgang verbesserte sich die Luftqualität in einigen Regionen schlagartig. Nach Berechnungen der Nasa und der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) sind die Stickstoffdioxid-Werte in China im Vergleich zu den Monaten vor dem Corona-Ausbruch drastisch gesunken.

Die Flughäfen in Österreich – und in vielen anderen Teilen der Welt – sind derzeit größtenteils leer.
Foto: APA/Scheriau

Auch der CO2-Ausstoß dürfte in China – dem weltweit größten Treibhausgasemittenten – deutlich geschrumpft sein. Die britische NGO Carbon Brief geht davon aus, dass Chinas CO2-Emissionen während der Corona-Hochphase zeitweise um bis zu ein Viertel eingebrochen sind.

Wer allerdings meint, die Pandemie hätte einen nachhaltig positiven Effekt auf das Weltklima, hat zu kurz gedacht: Kurz- und mittelfristig wird die schwächelnde Wirtschaft voraussichtlich dazu führen, dass der Treibhausgasausstoß auch andernorts sinkt. Langfristig führt das aber nicht zwingend zu einer "Trendwende", erklärt der Klimaökonom Karl Steininger: "Unmittelbar sinken die Emissionen, zum Beispiel durch das Herunterfahren des Flug- und Personenverkehrs und der Industrie."

Nur ein Übergangseffekt

Steininger geht allerdings davon aus, dass sich der Rückgang, sobald die Krise überstanden ist, wieder auf dem vorherigen Niveau einpendeln wird. "Es ist nur ein Übergangseffekt", meint der Ökonom. Nachsatz: solange die Wirtschaft auch künftig nicht nachhaltiger gestaltet wird.

Das zeigte sich bereits nach der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008. Während der Treibhausgasausstoß im Krisenjahr gesunken ist, stieg er in den Folgejahren um ein Vielfaches der eingesparten Menge an.

Außerdem fallen nicht nur Industrie und Verkehr ins Gewicht. Auch der Gebäude- und Energiesektor ist für einen großen Teil des Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Zumindest im privaten Bereich dürfte dieser derzeit nicht sinken.

In vielen Ländern könnten zudem Gelder, die eigentlich für den Klimaschutz vorgesehen waren, nun zur Ankurbelung der Wirtschaft bereitgestellt werden. Es droht also die Gefahr, dass kein Geld mehr für Klimamaßnahmen übrig bleibt. Der tschechische Regierungschef Andrej Babiš hat die EU-Kommission bereits aufgefordert, den "Green Deal" aufgrund der Corona-Krise zu "vergessen" und sich stattdessen auf die Bekämpfung der Pandemie zu konzentrieren.

Klimabudget wackelt nicht

Diesen Weg will man in Österreich nicht einschlagen: Wie es aus dem Ministerium heißt, soll an den im Budget bereits vorgesehenen Klimaposten nicht gerüttelt werden. Die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler will notwendige Konjunkturmaßnahmen vielmehr im Sinne des europäischen Green Deals ausgestalten, wie sie sagt.

Eine Forderung, die in den vergangenen Wochen von mehreren Umweltorganisationen zu hören war. Heimische NGOs wie Greenpeace und Global 2000 haben die Regierung aufgefordert, den Rettungsschirm klimafit und naturverträglich auszurichten.

Wegen der Ausgangsbeschränkungen sind in ganz Europa viele Straßen bis auf einige Spaziergänger verwaist. Der Umwelt bringt der reduzierte Verkehr ein wenig Erholung.
DER STANDARD

In Österreich könnten Praxen, die durch die Corona-Krise notwendig wurden, letztlich auch im Kampf gegen die Klimakrise nützlich sein, sagt Klimaökonom Steininger. So arbeiten derzeit tausende Österreicher von zu Hause aus. Eine Praxis, zu der Klimaexperten seit Jahren anregen wollen, um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. Immerhin ist der Personenverkehr für rund zwei Drittel der Emissionen im Mobilitätssektor verantwortlich.

Nicht zuletzt könnte die Politik aus dem Umgang mit dem Coronavirus auch Lehren für die Klimapolitik ziehen, sagt der Wirtschaftsphilosoph Felix Pinkert. So hätte man in Europa erst drastische Maßnahmen gesetzt, als sich das Virus in Italien ausgebreitet hatte. Als sich die Infektionen in erster Linie noch auf China beschränkten, hätten Europas Politiker kaum gehandelt.

"Wir reagieren erst dann, wenn der Schuppen vom Nachbarn brennt", meint Pinkert. Das sei eine wichtige Lehre für den Umgang mit der Klimakrise. "Wir dürfen nicht mehr darauf warten, bis extreme Auswirkungen auch bei uns ankommen."

Ähnliche Betroffene

Denn auch durch die Klimakrise werden zahlreiche Menschen sterben – langfristig wohl mehr als durch die Covid-19-Pandemie. Zwar spielt in der Erderwärmung auch der Wohnort eine maßgebliche Rolle für die Intensität der Klimawandelfolgen, im europäischen Raum sind die Betroffenen der Corona- und der Klimakrise jedoch die Gleichen: Ältere Menschen und jene mit Vorerkrankungen sind von zunehmenden Hitzewellen besonders stark betroffen.

Das Climate Change Center Austria geht davon aus, dass in Österreich – konservativ geschätzt – bis Mitte des Jahrhunderts jährlich 1.000 bis 1.500 Menschen frühzeitig aufgrund von Hitzewellen sterben werden. Während die Corona-Pandemie irgendwann überstanden sein wird, werden diese Zahlen steigen, argumentiert Klimaexperte Steininger: "Gegen Hitzewellen kann keine Herdenimmunität entwickelt werden." (Nora Laufer, 24.3.2020)