Ausgabe aus China angelieferter Schutzmasken in Mailand.
Foto: EPA / Paolo Salmoirago

Italiens Regierung, die Zivilschutzbehörde und auch Unternehmer aus der Gesundheitsbranche versichern, dass die Versorgungslage im Hinblick auf medizinisches Schutzmaterial ausreichend sei – dennoch ist man dankbar für jede Hilfe aus dem Ausland. Und hier tun sich besonders China und Südkorea hervor: Die beiden Länder, die die Hauptbelastung der Corona-Krise als Erste erlebt und nunmehr auch weitgehend überwunden haben, liefern in diesen Tagen Millionen Schutzmasken, Laborkittel, Handschuhe, Sauerstoffmasken und ähnliches Material nach Europa.

Dort ist Italien – vor allem die Region Lombardei, rund um Mailand – ein problematischer Hotspot. Mediziner und Gesundheitspersonal arbeiten seit Wochen an der Grenze der Belastbarkeit. Da und dort fehlt es aber nicht nur an Humanressourcen, sondern auch die Schutzausrüstung wird knapp. Verständlich daher die Aufregung um die Beschlagnahme hunderttausender für Italien bestimmter Schutzmasken durch den tschechischen Zoll am Wochenende.

Rund 300.000 Chinesen leben in Italien

Ein Teil dieser Masken gehörte zu einer größeren chinesischen Hilfslieferung, die für in Italien lebende Landsleute bestimmt war. Rund 300.000 Chinesen leben in Italien, sie machen fast sechs Prozent aller Ausländer in Italien aus. Besonders hoch – nämlich 14 Prozent – ist deren Anteil an der Bevölkerung in der Toskana. Sie sind dort schon seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Arbeiterschaft, vor allem in der Textil- und Modeindustrie.

Auch in Venetien (sieben Prozent der Bevölkerung) und in der Lombardei (sechs Prozent) arbeiten viele Auslandschinesen. Bei diesen Zahlen der staatlichen italienischen Statistikbehörde Istat handelt es sich allerdings nur um offiziell in Italien gemeldete chinesische Staatsbürger – die Dunkelziffer illegal nach Italien eingewanderter und dort unter teils prekären Bedingungen arbeitender Chinesen ist Expertenschätzungen zufolge noch viel höher.

Für China sind die Hilfsaktionen für europäische Länder nicht nur Zeichen der Solidarität oder Gegenleistungen für erhaltene Unterstützung während der eigenen Corona-Krise im Spätherbst 2019 und Winter 2019/20, sondern auch ein Instrument, um sich globalpolitisch besser zu positionieren. Die aktuellen Handelskonflikte mit den USA bestärken die politische Führung in Peking, ihr Engagement alternativ dazu nicht nur in Afrika, sondern auch in Europa intensiviert auszubauen.

Als Investoren sind chinesische Unternehmen schon seit Jahren unter anderem in den Westbalkanländern sehr präsent – und auch in Italien sind sie in verschiedensten Handels- und Industriebranchen trotz zahlreicher Warnungen aus Politik und Wirtschaft im Großen und Ganzen sehr willkommen. Zum gegebenen Zeitpunkt mit großzügigen Hilfslieferungen zur Stelle zu sein ist also nicht zuletzt als strategisches Investment in verbesserte Beziehungen zu Europa zu verstehen. Denn sobald Handel, Industrie und Tourismus nach der Krise wieder voll durchstarten, will China ebenfalls mitmischen – und zwar mehr als bisher.

Machtkampf und Streikdrohungen

Die Wirtschaft ist es auch, wo Italiens Ministerpräsident an einer Corona-Nebenfront zurzeit am meisten zu kämpfen hat: Seine Samstagnacht per Dekret verfügte Schließung aller nichtlebensnotwendigen Produktionsbetriebe stößt den Unternehmern sauer auf. Italiens mächtige Industriellenvereinigung stellte Contes Maßnahmen am Montag denn auch nachdrücklich infrage: "Mit diesem Dekret", warnte Confindustria-Chef Vincenzo Boccia, "schlittern wir aus einer wirtschaftlichen Notlage in eine veritable Kriegswirtschaft." Die verfügte Stilllegung von 70 Prozent des gesamten italienischen Produktionsgefüges "bedeutet, dass wir alle 30 Tage rund 100 Milliarden Euro Wirtschaftskraft verlieren".

Die Gewerkschaftsführer sehen in solchen Aussagen ungehörigen Druck auf die Regierung, doch noch Ausnahmeregelungen zu erlassen – doch diese würden den Notfallplan letztlich wirkungslos machen. Die Lombardei brauche nicht laschere, sondern strengere Regelungen, meinte Marco Bentivogli, Chef der Metallergewerkschaft Fim-Cisl. Daher erwäge man Streikmaßnahmen schon für Mittwoch – zunächst soll der Ausstand acht Stunden dauern. Man sei aber auch bereit zu einem Generalstreik. (Gianluca Wallisch, 23.3.2020)