Es war ein Finanzminister, der die einst so mächtige Nebenregierung ins Jenseits beförderte. "Die Sozialpartnerschaft ist tot", urteilte Hans Jörg Schelling vor nicht einmal drei Jahren. "Sie weiß es nur noch nicht."

Demnach muss sich in den letzten Tagen in den Schaltzentralen der Republik ein Zombieball abgespielt haben. Nicht nur die Regierungsspitzen brüteten über den Notfallplänen zur Corona-Krise, auch die Totgesagten saßen am Tisch. Ein entscheidender Baustein zur wirtschaftlichen Stabilisierung geht auf die Initiative der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter zurück: Die eingeführte Kurzarbeit erspart nicht nur zehntausenden Werktätigen erst einmal das Leid der Arbeitslosigkeit, sondern ermöglicht es Betrieben auch, nach etwaiger Entspannung der Lage mit der gleichen eingearbeiteten Belegschaft wieder durchzustarten.

Die Regierung erarbeitete mit den Sozialpartnern ein Corona-Hilfspaket für Betriebe und Arbeitnehmer.
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Die federführende Rolle der Sozialpartner passt so gar nicht zum seit einem Vierteljahrhundert regelmäßig anschwellenden Abgesang. Als reformunfähige, von Zwangsgebühren alimentierte Apparatschiks fanden sie sich in der Debatte wieder, und manche Kritik ist nicht von der Hand zu weisen. Tatsächlich haben die Interessenvertreter in einigen Fragen – Arbeitszeit oder Pensionen – einen Gutteil ihrer Kompromissfähigkeit eingebüßt. Und ein System, das Bürger zur Kammermitgliedschaft zwingt, entspricht nicht eben dem Idealbild einer liberalen Demokratie.

Nötige Expertise

Doch unterm Strich überwiegen die Meriten. Trotz aller Scharmützel haben sich die Sozialpartner aus ihrem staatstragenden Verständnis heraus stets die Gesprächsbasis bewahrt. Das macht sich gerade in der Krise bezahlt. Die von den Pflichtbeiträgen gestützten Apparate bergen die nötige Expertise, um ein Projekt wie die Kurzarbeit innerhalb weniger Tage auf die Beine zu stellen. Ist eine Einigung erzielt, gilt diese für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Dass der Notfallmodus verhältnismäßig rund läuft, ist nicht selbstverständlich. In Deutschland geht die Einführung der schlechter dotierten Kurzarbeit weniger reibungslos vonstatten, in den USA ist das politische Klima derart vergiftet, dass das Krisenpaket im Kongress blockiert ist.

Polarisiert hat auch Sebastian Kurz, als er als Kanzler von FPÖ-Gnaden die (roten) Arbeitnehmervertreter ins Abseits drängte. Selbst wenn die Schäden offenbar nicht irreparabel waren, sollte er eine Lehre für die Zeit nach Corona mitnehmen: Wer die Sozialpartnerschaft demontiert, setzt die Krisentauglichkeit des Landes aufs Spiel. (Gerald John, 24.3.2020)