Donald Trump sieht sich mit vielen Fragen zur Corona-Krise konfrontiert.

Foto: EPA / Jim La Scalzo

Man muss sich erst noch gewöhnen an den freundlichen Ton. Sobald er im Weißen Haus vor die Presse tritt, überschüttet Donald Trump die Gouverneure New Yorks und Kaliforniens, Andrew Cuomo und Gavin Newsom, neuerdings mit Komplimenten. Beide sind Demokraten, scharfe Kritiker des Präsidenten. In der Corona-Krise aber sind sie vor allem eines: die Regierungschefs der beiden Bundesstaaten, die es am härtesten erwischt hat. Trump nennt sie Gentlemen. Er versucht, eine Rolle zu spielen. Statt zu polemisieren, gibt er den Krisenmanager, der den Schulterschluss mit Rivalen sucht.

Dies ist das Neue: Trump, der von der inneren Zerrissenheit der Vereinigten Staaten profitierte und deren Spaltung noch vertiefte, versucht in der Krise den Brückenschlag. Fällt er nicht zurück in den alten Modus, bedeutet es das Ende einer Ära. Denn auch eine gehörige Portion Staatsverachtung hat dem Populisten den Sprung ins Oval Office ermöglicht. Viele Wähler verzweifelten, weil die USA Banken statt Menschen retteten, die ihre Arbeit oder ihr zwangsversteigertes Eigenheim verloren.

Um seine Anhänger bei der Stange zu halten, hat Trump mithilfe von Twitter eine Art Paralleluniversum geschaffen. Eine Welt, in der die Wissenschaft geringgeschätzt wird und "alternative Fakten" hoch im Kurs stehen. Eine Welt, die in staatlichem Handeln schnell ein Komplott der vermeintlichen Seilschaften des "deep state" vermutet und die in globalen Institutionen nur Relikte einer alten Zeit sieht.

Kaiser ohne Kleider

Trump hatte noch grünes Licht gegeben, als sein damaliger Sicherheitsberater John Bolton im Mai 2018 vorschlug, eine für die Frühwarnung vor Pandemien zuständige Abteilung im Weißen Haus aufzulösen. Dazu passte, wie er die Lage jetzt wochenlang schönredete und dadurch nur wertvolle Zeit verlor.

Auch weil er die heraufziehende Krise allein durch die politische Brille sah, sprach über die Hälfte der Republikaner von einem Risiko, das in den "Mainstream-Medien" maßlos aufgebauscht werde. Statt dafür zu sorgen, dass intensiv getestet wurde, nahm er den akuten Mangel beinahe billigend in Kauf. Die – offensichtlich irreführende – Statistik schien ihm wichtiger zu sein als ein Abbild der Realität.

Zu erleben war der Scharlatan, der Vabanquespieler Trump. Diese Ära ist vorerst vorbei. Als in lokaler Regie endlich ernsthaft mit dem Testen begonnen wurde, stiegen die Fallzahlen steil an. Wie schlecht man vorbereitet ist, hat die Kolumnistin Anne Applebaum in der Zeitschrift "The Atlantic" prägnant zusammengefasst. Die USA, daran gewöhnt, die eigene Gesellschaft für die beste, effizienteste, technisch fortgeschrittenste der Welt zu halten, schreibt sie, stünden kurz davor, sich als Kaiser ohne Kleider zu erweisen.

Nun muss ein Präsident, der sich bisher darauf spezialisiert hatte, mit dem Finger auf andere zu zeigen, die Antwort auf einen akuten Gesundheitsnotstand organisieren. Es ist nicht seine Rolle, aber es ist möglich und wünschenswert, dass er vielleicht doch in sie hineinwächst. Oder jedenfalls zu hoffen. (Frank Herrmann aus Washington, 24.3.2020)