Pneumokokken sind der häufigste Auslöser von Lungenentzündungen. Eine Impfung wird vor allem vulnerablen Bevölkerungsgruppen empfohlen.

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Die deutsche Bundeskanzlerin wollte wohl alles richtig machen. Angela Merkel befolgte den Rat ihres Gesundheitsministers, der vor rund zwei Wochen an die ältere Bevölkerung den Appell gerichtet hatte, dass Menschen ab 60 angesichts der immer weiteren Ausbreitung des Coronavirus sicherstellen sollten, gegen Pneumokokken geimpft zu sein. Damit werde verhindert, dass sich besonders gefährdete Personen mit beiden Erregern gleichzeitig anstecken.

Angela Merkel ist 65 Jahre alt und zählt damit zur Risikogruppe. Sie ließ sich vergangenen Freitag prophylaktisch gegen Pneumokokken impfen, der behandelnde Arzt wurde schließlich positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Die Bundekanzlerin befindet sich seit Sonntag in Quarantäne, die ersten beiden Test auf Covid-19 waren negativ. Sicherheitshalber wird Anfang kommender Woche ein weiterer Test vorgenommen, denn ein negatives PCR-Ergebnis schließt die Möglichkeit einer Infektion mit Sars-CoV-2 nicht vollständig aus. Falsch-negative Ergebnisse können etwa auch deshalb entstehen, weil die Probenqualität schlecht war, sie unsachgemäß transportiert oder zu einem frühen Zeitpunkt entnommen wurde.

Pneumokokken sind Bakterien, die den Nasen-Rachen-Raum besiedeln. Nicht immer führen sie zu Krankheitssymptomen, sie können aber in die Lunge "weiterwandern". Eine sogenannte invasive Pneumokokken-Erkrankung führt schlimmstenfall zu Sepsis, Gehirnhautentzündung oder Lungenentzündung. Vor allem für Säuglinge, ältere und immungeschwächte Personen oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma und COPD stellen Pneumokokken ein Risiko dar. Bei Influenza-Erkrankungen ist eine bakterielle Sekundärinfektion durch Pneumokokken eine der häufigsten Komplikation. In solchen Fällen kommt es zusätzlich zur viralen Erkrankung zu einer bakteriellen Infektion. Die bereits geschwächte Körperabwehr muss dann auch gegen die Pneumokokken ankämpfen.

Nicht extra zum Arzt gehen

Der österreichische Impfplan empfiehlt eine Impfung für Menschen ab 50 Jahren. "Das gilt grundsätzlich auch jetzt", sagt Stefan Winkler, Facharzt für Innere Medizin und Infektiologe an der Med-Uni Wien. Allerdings sollte sie nur dann gemacht werden, wenn ohnehin ein Termin beim Hausarzt ansteht. "Extra wegen der Pneumokokken-Impfung zum Allgemeinmediziner zu gehen ist in Zeiten der Corona-Epidemie zu vermeiden", betont der Mediziner. Das heißt, die Bevölkerung sollte auch auf Arztkontakte verzichten, sofern sie nicht unbedingt notwendig sind.

Wie häufig es bei Covid-19-Patienten zu einer Sekundärinfektion mit Pneumokokken kommt, ist derzeit noch unklar, die aktuelle Datenlage dazu lässt noch keine seriösen Schlüsse zu. Stefan Winkler führt aber noch einen anderen Grund an, warum eine Pneumokokken-Immunisierung eher auf später verschoben werden sollte. "Durch die Impfung kann es zu Reaktionen wie leichtem Fieber kommen. Das verunsichert Betroffene nur noch mehr."

Appell führt zu Versorgungsengpässen

In Deutschland sind viele Bürgerinnen und Bürger dem Aufruf von Jens Spahn gefolgt und haben sich gegen Pneumokokken impfen lassen. Das hat zu einem weiteren Problem geführt: Am vergangenen Donnerstag meldete das Paul-Ehrlich-Institut Lieferprobleme bei Pneumovax 23, dem Standardimpfstoff für Erwachsene. Das Robert-Koch-Institut hat daraufhin seine Empfehlungen zur Pneumokokken-Impfung angepasst. Demnach sollten nur mehr jene Menschen bevorzugt geimpft werden, die mindestens 70 Jahre alt sind, deren Immunsystem geschwächt ist oder die unter einer chronischen Atemwegserkrankung leiden.

Auch in Österreich ist Pneumovax 23 laut Informationen der österreichischen Apothekerkammer derzeit nicht verfügbar. Der zweite Standardimpfstoff mit dem Handelsnamen Prevenar 13, der vor allem für Kinder und Jugendliche vorgesehen ist, sei aber ausreichend vorhanden. Er eignet sich laut Beipackzettel ebenso für die Immunisierung von Erwachsenen. In Deutschland ist auch diese Vakzine mittlerweile auf der Liste der eingeschränkt verfügbaren Arzneimittel gelandet. (Günther Brandstetter, 27.3.2020)