Die erste Woche der pandemiebedingten Selbstisolierung ist nun um. China hat das Virus nach eigenen Angaben im Griff, Italien steckt mitten in einer Krise: nicht nur einer gesundheitlichen, sondern auch einer sozialen. Inzwischen werden Patientinnen und Patienten nach Überlebenschancen aussortiert. Grund dafür sind auch Jahrzehnte des Kranksparens eines davor schon nicht ideal ausgestatteten Gesundheitssektors durch eine politische Klasse, die Eigenverantwortung und Profitmaximierung predigte und die Krise jetzt in Villen mit Wellnessbereich aussitzt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigt 750 Milliarden Euro schwere Rettungspakete an, um Staaten wie Italien vor der drohenden Pleite zu retten. Viele Mitgliedsstaaten, wie auch Österreich und Deutschland, schmieden Pläne zur Rettung von Banken, Betrieben und "Selbstständigen", während die Börsenkurse ins Bodenlose stürzen.

Am Ende zahlen die arbeitenden Menschen

Die fast schon erotische Beziehung konservativer Politiker zum Nulldefizit scheint im Zuge der Krise zu erodieren. Jetzt werden alle alten Prinzipien über Bord geworfen. Wenn wir nicht aufpassen, dann werden allerdings, genauso wie schon in der Eurokrise 2008, am Ende die arbeitenden Menschen in Österreich die Rechnung bezahlen, denn unser Steuersystem finanziert sich vorrangig aus der Besteuerung von Konsum und Arbeit. Beide werden größtenteils von der viel bemühten "Mittelschicht" gestemmt, die jedoch gerade den Boden unter ihren Füßen verliert – zumal sie davor schon nicht in der besten Verfassung war.

Spitzenverdienerinnen und Spitzenverdiener tragen zwar einen hohen Steueranteil (bei der Sozialversicherung schaut es durch die Deckelung schon wieder anders aus), aber diese sind nicht unbedingt deckungsgleich mit der kleinen, aber mächtigen Schicht von Vermögenden, die in Österreich quasi steuerfrei leben können. Begründet wird das oft mit der hohen Mobilität großer Vermögen, die es unmöglich machen würde, diese zu besteuern, ohne ein Abwandern zu riskieren.

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Jedem ist klar, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Epidemie heftige finanzielle Konsequenzen haben werden. Wer noch nicht arbeitslos ist, wird eventuell schon auf Kurzarbeit umgestellt. Im Gegensatz zu Ländern wie den USA haben wir jedoch mit der Mindestsicherung zumindest ein minimales Auffangnetz und mit der Sozialversicherung ein funktionierendes System solidarischer Absicherung.

Es braucht eine Identifikationsmöglichkeit

Dieses fehlende Sicherungsnetz bringt die Amerikanerinnen und Amerikaner in eine Zwickmühle: Selbst jene, die aus Liebe zu Freiheit und Eigenverantwortlichkeit sonst jegliche staatliche Unterstützung ablehnen, überlegen plötzlich, Helikoptergeld zu verteilen. Bernie Sanders geht noch weiter und verlangt ein Krisen-Grundeinkommen von 2.000 Dollar monatlich, bis die Pandemie überstanden ist.

Doch nicht nur in den USA werden Stimmen laut, die ein Umdenken in der Art und Weise fordern: Der Verein für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Europa (UBIE) fordert jetzt in einer Petition, ein europäisches Grundeinkommen einzuführen.

Dieser Forderung möchte ich mich persönlich als Studierender der Politikwissenschaften anschließen. Es braucht in Zeiten der Krise europäische Lösungen und keine Alleingänge der Nationen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Und angesichts der erodierenden europäischen Idee halte ich genau das für das richtige Projekt, um auch nach überstandener Pandemie den Menschen ein Europa eine Identifikationsmöglichkeit jenseits eingeschränkter Reisefreiheit zu geben. Es braucht ein solidarisches Grundeinkommen in Europa. Wie dieses aussehen wird und wie es finanziert werden soll, liegt an uns Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam demokratisch zu bestimmen. Ideen gibt es viele. (Elias Weiss, 25.3.2020)