Max Stiegl kocht und versendet jetzt Paprikahendl, Krautfleisch, Kalbsbeuschel et al. zu sehr sozialen Preisen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Jetzt sind es bald zwei Wochen, seit die Wirtshäuser dicht sind. Das Essen wurde in dieser Zeit noch wichtiger. Wenn man den ganzen Tag im Homeoffice abzusitzen hat, sollte wenigstens die Freizeitgestaltung entsprechend niveauvoll sein. Und die besteht seit ein paar Wochen eben ziemlich exklusiv aus Kochen, Essen und Trinken.

Die Vorstellung, den Herd jeden Tag zweimal anzuwerfen, um sich mit akkurat geschmurgeltem Grünzeug, gekonnt kombinierten Würzbissen und souverän an den Garpunkt geschmeicheltem Edelprotein zu versorgen, hat am Anfang ja ganz toll geklungen. Schön langsam aber greift eine gewisse Kochmüdigkeit Platz.

Ohne erkennbare Skrupel werden plötzlich mit Kondenseis mumifizierte Schlemmerfilet-Leichen und frostbrandige Mexikaner-Pizzas aus dem Tiefkühlgrab gefleddert. Mittags ertappt man sich dabei, auch ganz schnelles Glutamat aus dem kryptoasiatischen Trockennudelbecher für gut zu befinden – irgendwo muss man seine schmutzigen Gedanken schließlich kanalisieren.

Auf die Dauer ist es aber nicht gut für die Psychohygiene, die Zügel solcherart schleifen zu lassen. Es wird nämlich noch dauern, bis wir uns wieder in Gesellschaft schlecht benehmen – und dazu noch andere Leute für uns kochen lassen können.

So etwas Ähnliches hat sich offenbar auch Max Stiegl gedacht, nur am anderen Ende der Argumentationskette. Der Mann hat drei Hauben, ein prachtvolles Wirtshaus in Purbach am Neusiedler See und dieser Tage viel Zeit.

Die nutzt er gemeinsam mit dem – keineswegs in die Kurzarbeit entlassenen – Küchenteam, um für die unfreiwillig fernbleibenden Stammgäste genau jene Art von Essen in Rexglasln zu füllen, das durch nachmaliges Aufwärmen nur besser wird: Paprikahendl (ohne Haut, aber dankenswerterweise mit Knochen), Szegediner Krautfleisch, Rindsrouladen, Kalbsbeuschel und Sarma.

Lammcurry, Mangalitza-Sugo und Serbische Bohnensuppe gibt es auch. Alles in Bio-Qualität. Und, was in Zeiten des existenziellen Zweifelns an der Überlebensfähigkeit der Gesellschaft wohl noch wichtiger ist: zu richtig sozialen Preisen.

Das Hendl wird umschmeichelt von einem himmlisch paprizierten, zart fruchtigen Saftl.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Während sich nämlich andere Nobelköche dieser Tage nicht zu blöd sind, ihr Erdäpfelgulasch um saloppe 25 Euro das Glas zu verschleißen, geht Stiegl den umgekehrten Weg: Paprikahendl und Krautfleisch um neun Euro, Rindsrouladen um zehn, Kalbsbeuschel ("weil es gar soviel Arbeit beim fein Schneiden macht") um zwölf Euro: So günstig lässt sich nur mit Mühe selber kochen – jedenfalls in dieser Qualität.

Selber beilegen!

Das Hendl etwa, in einem himmlisch paprizierten, zart fruchtigen Saftl, das sonst wohl zur Salbung magyarischer Königskinder verwendet wird, hat sich (siehe Bild) die Paarung mit ordinären Bandnudeln statt Nockerln oder Tarhonya weiß Gott nicht verdient – ein klarer Fall journalistischen Dilettierens im Angesicht der Krise. Aber so ist es halt, wenn "der Gast" die Beilagen auf einmal selber machen muss.

Krautfleisch, von anmutig zupackender Säure, mit mageren und doch saftigen Brocken Schweinefleisch, kitzelt die Gier auf peinlich wirkungsvolle Weise – so saftig, so animierend, so gut. Beuschel, hauchfein geschnitten wie die Wurzeljulienne, mit der es im souverän abgeschmeckten Saft badet, ist ein Musterbeispiel seiner Art.

Serbische Bohnensuppe ist durchaus buchstäblich zum Abheben gut, die Krautrouladen wird es erst kommende Woche zu verkosten geben. Gut so: Das DPD-Packerl sollte eh drei Kilo schwer sein, damit sich das Porto (4,40 Euro) auch entsprechend lohnt. (Severin Corti, RONDO, 27.3.2020)