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Foto: REUTERS/Jonathan Bachman

Das österreichische Außenministerium steht vor einer Mammutaufgabe: 30.000 Österreicher waren zu Beginn der Corona-Krise noch auf Reisen. Von Kapstadt bis Costa Rica versuchen Urlauber, nach Hause zurückzukehren. Mehrere Tausend von ihnen hat das Außenministerium bereits zurückgeholt. Der Appell an alle lautet: Kommen Sie zurück, solange es noch geht. Doch was bedeutet die jetzige Situation für Österreicher, die ihren Lebensmittelpunkt aktuell im Ausland haben? DER STANDARD hat mit vier von ihnen gesprochen.

New Orleans, Louisiana: Jacqueline

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In New Orleans, der größten Stadt des US-amerikanischen Bundesstaats Louisiana, steht das öffentliche Leben still. Auch die Bars und Clubs in der sonst für ihr Nachtleben berühmten Stadt bleiben geschlossen.
Foto: REUTERS/Jonathan Bachman

In den USA ist die Zahl der an Covid-19 Verstorbenen nun erstmals über tausend gestiegen. Gerade im Bundesstaat New York und in der Metropole selbst haben sich besonders viele Menschen angesteckt. Während Experten weltweit befürchten, dass die Pandemie in den Vereinigten Staaten besonders verheerende Auswirkungen haben könnte, möchte Präsident Donald Trump so schnell es geht zum Normalzustand zurückkehren.

Eine Situation, die auch Jacqueline W. und ihrem Freund zu denken gibt. Die beiden sind Austauschstudenten aus Innsbruck und leben bereits seit einem Dreivierteljahr in New Orleans, Louisiana. Dort arbeiten sie auch im Center Austria der Universität mit, betreuen also die übrigen österreichischen Austauschstudenten. "Im Moment sind wir elf Personen von der Universität Innsbruck – und alle haben sich entschieden zu bleiben", erzählt Jacqueline. Auch wenn in New Orleans mittlerweile Ausgangsbeschränkungen gelten, die Universität geschlossen hat und Gastronomie und Geschäfte zu haben, kommt ihr die Situation noch relativ gelassen vor: "So hart es klingt, die Menschen hier sind an Katastrophensituationen gewöhnt. Überflutungen, Hurrikans – das kennen sie. Hamsterkäufe gab es nur bei bestimmten Produkten, zum Beispiel Wasser und Desinfektionsmittel sind sehr viel gekauft worden", sagt Jacqueline.

Dementsprechend sind auch die österreichischen Austauschstudenten noch recht entspannt. "Was uns nur nervös macht, ist, dass es im Moment keine Aussicht auf einen Rückflug gibt. Die Rückholflüge des Außenministeriums gehen alle von Washington, D.C., aus – dort müssten wir erst einmal hinkommen. Das Center Austria hat aber guten Kontakt mit der Botschaft, und wir vertrauen darauf, dass im Notfall schon alles gutgehen würde."

Novi Sad, Serbien: Sven

Serbien ergreift Maßnahmen: hier errichtet das Militär ein provisorisches Krankenlager in einer Veranstaltungshalle in Belgrad.
Foto: APA/AFP/Vladimir Zivojinovic

Erst wurde gewitzelt, jetzt gelten drastische Beschränkungen: Serbiens Politik hat das Coronavirus lange nicht ernst genommen. Noch Tage nachdem in Italien die ersten Menschen gestorben waren, redete die Regierung rund um Präsident Aleksandar Vučić die Krankheit klein. Dann kam allerdings ein rasches Einlenken – mit harten Maßnahmen und drakonischen Strafen.

Sven O. erlebte das alles vor Ort mit – der Grazer Student absolviert aktuell ein Auslandssemester in Novi Sad. Während viele Austauschstudenten ihre Aufenthalte abgebrochen haben, hat er sich entschieden zu bleiben: "Wenn ich nur als Tourist nach Novi Sad gekommen wäre, wäre ich natürlich zurückgekehrt. Aber ich habe mir hier für ein paar Monate ein Leben aufgebaut. Es wäre mir riskanter vorgekommen, die Heimreise anzutreten, als die Situation auszusitzen."

Der Alltag hat sich für Sven bereits stark verändert. Auch in Serbien gelten Ausgangsverbote, wer sich nicht daran hält, kann umgerechnet bis zu 1.300 Euro Strafe zahlen. Auch Haftstrafen werden verhängt, etwa wenn Ausländer die vorgeschriebenen Quarantänezeiten bei der Einreise nicht einhalten. "Das finde ich schon sehr bedenklich", sagt Sven zu diesem harten Vorgehen. "Vor allem, da zum Beispiel alte Menschen laut den Ausgangssperren bis auf wenige Ausnahmen ganz zu Hause bleiben sollen. Was sollen die denn tun, wenn sie Einkäufe machen oder ihre Pension abholen müssen?"

London, England: Sara

Die britische Regierung hat umfassende Ausgangsbeschränkungen erlassen. In Parks, wie hier im St. James Park in London, informieren Schilder über die Vorsichtsmaßnahmen.
Foto: EPA/Andy Rain

In Großbritannien spitzt sich die Lage zu: Nachdem sich Premierminister Boris Johnson vor wenigen Tagen doch entschieden hat, Ausgangssperren und strikte Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus zu setzen, steigt die Zahl der Toten dennoch rasant. Rund 500 Menschen sind bereits infolge einer Coronavirus-Infektion gestorben. Experten befürchten, dass das Gesundheitssystem im Vereinigten Königreich der Krise nicht gewachsen sein könnte. Schon vor dem Ausbruch des Coronavirus kränkelte dieses an allen Ecken und Enden. Jetzt fehlen etwa dringend benötigte Beatmungsgeräte.

Sara O. aus Telfs in Tirol hat sich trotzdem entschieden zu bleiben. Sie lebt bereits seit über zwei Jahren in London. Erst kam sie fürs Studium, mittlerweile arbeitet sie in der PR-Abteilung für ein staatliches Veranstaltungszentrum. "Ich habe sehr lange gehadert, ob ich nicht nach Hause fliegen soll. Viele aus meinem Umfeld in London haben das Weite gesucht. Aber gerade in Tirol sah die Situation zu dem Zeitpunkt weitaus gefährlicher aus als hier. Meine Mutter ist selbst Krankenschwester – sie hat mir von jeder nicht unbedingt notwendigen Reise abgeraten", erklärt Sara ihre Entscheidung.

Für sie kommt hinzu, dass sie in London Job und festen Wohnsitz hat. Dennoch will sie nicht ausschließen, dass sie doch noch nach Österreich zurückkehrt. "Wenn ich mich jetzt einfach hinbeamen könnte, würde ich es sofort tun. Bis ich in ein Flugzeug steige und die Risiken der Reise auf mich nehme und mein Leben hier in völliger Ungewissheit zurücklasse, müsste sich die Situation hier aber doch noch um einiges zuspitzen."

Berlin, Deutschland: Max

Kein Verkehr, keine Touristen: die Straße vor dem Brandenburgertor in Berlin ist im Moment selbst zu den Hauptverkehrszeiten wie ausgestorben.
Foto: APA/Annette Riedl

Mehr als 36.000 Menschen sind in Deutschland mittlerweile mit dem Coronavirus infiziert. Maßnahmen, um der Verbreitung entgegenzuwirken, hat die Regierung dort dennoch zögerlicher ergriffen als etwa in Österreich. Nun sind die Zustände aber ähnlich: Schulen, Universitäten, Geschäfte und Gastronomie haben geschlossen, Versammlungen von mehr als zwei Personen sind untersagt. Wer kann, arbeitet aus dem Homeoffice.

So auch Max E., der gerade in Innsbruck sein Studium abgeschlossen hat und nun in Berlin ein Praktikum absolviert. "Als ich Ende Februar hierher gezogen bin, war nur in Norditalien die Situation angespannter. Da sich die Situation hier nicht großartig von der zu Hause unterscheidet, wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, heimzufahren", sagt er. Er möchte sein Praktikum wie geplant fortsetzen, ein wenig Gedanken macht er sich trotzdem: "Anfang Juni sollte es eigentlich zurück nach Hause gehen. Ich hoffe, das klappt wie geplant." Auch wenn er nicht nach Österreich zurückgekehrt ist, nimmt Max die Lage ernst: "Das macht jetzt auch mein ganzes Umfeld hier. Zwar bedauern einige die Situation, ärgern sich etwa, dass ihr Festivalsommer flachfällt. Aber sie halten sich an die Vorgaben – und das finde ich das Wichtigste." (Antonia Rauth, 27.3.2020)