Auf der Suche nach dem Gleichgewicht: US-Präsident Donald Trump.

Foto: AFP / Brendan Smialowski

US-Präsident Donald Trump befindet sich derzeit in einem doppelten Dilemma. Einen Aspekt hat er mit vielen anderen Spitzenvertretern rund um den Globus gemeinsam: es ist der schwierige und täglich neu zu planende Balanceakt zwischen Strategien, die einen sprunghaften Anstieg der Covid-19-Pandemie und den Kollaps des Gesundheitssystems vermeiden sollen, und Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaftskreisläufe in Zeiten von Corona.

Die andere Facette ist weitgehend hausgemacht und fußt auf Trumps kämpferischer Rhetorik sowie seiner nur allzu gut bekannten Sprunghaftigkeit. Was zumindest bei vielen seiner Anhänger sonst als Zeichen von Durchschlagskraft und Flexibilität durchgeht, könnte in der Krise zu massivem Glaubwürdigkeitsverlust führen.

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Ratschläge von Experten

Anfangs hatten Trump viele vorgeworfen, die Gefahr durch das Coronavirus herunterzuspielen und dabei die Ratschläge von Experten zu missachten, die vor einer rasanten Ausbreitung der Pandemie warnten. Erinnerungen an die Klimaschutzdebatte und die Relativierung wissenschaftlicher Erkenntnisse wurden wach. Mitte März empfahl Trump, soziale und berufliche Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren, und zwar für 15 Tage. Vergangene Woche vollzog er dann – zumindest rhetorisch – einen radikalen Schwenk und rief sich zum "Kriegspräsidenten" aus. Sein Kampf gelte einem unsichtbaren Feind, eine Rückkehr zum normalen Leben könne bis Juli oder August auf sich warten lassen.

Zu Beginn der laufenden Woche kamen aus dem Weißen Haus aber bereits wieder andere Töne. "Dieses Land ist nicht für den Shutdown gemacht", erklärte Trump am Montag und kündigte an, die USA "wieder für das Business zu öffnen", und zwar "sehr bald". Einen genaueren Zeitplan legte er zunächst nicht vor. Bereits früher hatte er aber in Aussicht gestellt, die in den USA geltenden Regeln zum Social Distancing bereits nächste Woche zumindest überdenken zu wollen. Am Dienstag erklärte Trump dann auf Fox News, er "würde es lieben", die Wirtschaft bereits "zu Ostern zu öffnen".

Aufkeimender Machtkampf

Egal ob man dem Lager der Trump-Fans angehört oder nicht: Bürgerinnen und Bürger der USA, die bei ihrem Präsidenten nach einer klaren Orientierung suchen, werden auch in der Krise nicht wirklich fündig. "Es wird schlimm", sagte Trump am Montag. Bei anderen Politikern würde das vermutlich die Verkündung noch härterer Maßnahmen einläuten, nicht aber bei Donald Trump. Im Gegenteil: Um zu illustrieren, wie sehr ihm daran gelegen ist, die Wirtschaft möglichst in Gang zu halten, schoss er sich auf die Ärzte ein, die seiner Ansicht nach einen längeren Shutdown begrüßen würden, "wenn es nach ihnen ginge". Ja mehr noch: "Sie würden sagen: Lasst uns die ganze Welt schließen."

Beobachter glauben, dass der innere Kampf, den der Präsident offenbar ausficht, auch das Aufkeimen eines Machtkampfes innerhalb der US-Administration widerspiegelt – eines Machtkampfes zwischen den Gesundheitsverantwortlichen und jenen, die sich um die US-Wirtschaft sorgen, deren Funktionieren ebenso wichtig ist für die Wiederwahl Trumps im November. Der Epidemiologe Anthony Fauci, wichtiges Mitglied in Trumps Beraterstab, fehlte etwa bei dem Briefing des Präsidenten.

Versorgung mit Schutzmasken

Widersprüchliche Signale gibt es auch mit Blick auf Maßnahmen zur Versorgung mit Schutzmasken und Medizintechnik. Trump hatte zwar den Defense Production Act aus den 1950er-Jahren reaktiviert, um unter anderem Wucherpreise für Gesichtsmasken und andere medizinische Ausrüstung zu verhindern. Mit der Regelung könnten Firmen aber auch angewiesen werden, wichtige Güter zu produzieren, wovor Trump zunächst zurückschreckte.

Im Streit um ein Coronavirus-Hilfspaket im Umfang von zwei Billionen Dollar (1,86 Billionen Euro) hat Trump zu einer raschen Einigung gedrängt. "Der Kongress muss den Deal heute verabschieden, ohne all den Unsinn", schrieb Trump am Dienstag auf Twitter. "Je länger es dauert, desto schwieriger wird es, die Wirtschaft wieder anspringen zu lassen. Das wird unseren Arbeitern schaden."

Epizentrum der Pandemie

Mit den Mitteln sollen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise abgemildert werden. Die oppositionellen Demokraten kritisieren aber die ihrer Ansicht nach unzureichenden Schutzmaßnahmen für Beschäftigte und verlangen mehr Geld für Krankenhäuser, denen eine dramatische Überlastung droht. In den USA wurden bisher mehr als 46.000 Infektionen und mehr als 590 Todesfälle bestätigt.

Der Gouverneur des Bundesstaates New York, der Demokrat Andrew Cuomo, sprach von über 25.000 bestätigten Fällen allein in seinem Staat. Das sei "beunruhigend und astronomisch", so Cuomo am Dienstag in einer Pressekonferenz. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte am Dienstag, die USA könnten Europa bald als neues Epizentrum der Pandemie ablösen. (schub, 24.3.2020)