Dachbodenausbau in einem Gründerzeithaus im zweiten Wiener Bezirk. Auf der Baustelle herrscht frühmorgens emsiger Betrieb. Derzeit sind die Spengler und Dachdecker am Werk. Dick vermummt unter dem Blaumann räumen sie ihre Gerätschaften aus dem Van und stapeln sie am Straßenrand auf. Gut Freund dürften die beiden Männer nicht sein. Dennoch kommen sie sich beim Stapeln notgedrungen recht nah.

Gibt es Instruktionen für sie, eine Ansteckung zu vermeiden? Deutsch spricht der Mann zwar, seine Muttersprache ist es aber nicht. Erst auf Wiederholung der Frage versteht der gut 40-Jährige, worum es geht. Ja sicher, bedeutet er. Abstand halten müsse man, lacht verlegen und rückt etwas vom jüngeren Kollegen ab.

Im Einsatz

Während das Leben weitgehend zum Stillstand gekommen ist, herrscht mancherorts noch Hochbetrieb: Die Versorgung mit Strom, Wasser, Lebensmitteln, Gesundheits- und Verkehrsdienstleistungen muss auch in der Krise funktionieren. Hunderte Menschen sind in Unternehmen der sogenannten "kritischen Infrastruktur" tätig, damit genau das gewährleistet wird. Infektionsketten in solchen Betrieben könnten große Auswirkungen haben. Deswegen müssen sie Sorge tragen, dass sich Schlüsselpersonal keinesfalls mit Sars-CoV-2 ansteckt. Kommt es doch zur Infektion eines Mitarbeiters, wird er wie jeder andere Covid-19-Patient unter Quarantäne gestellt. Darauf folgt das übliche Prozedere, in dem alle Personen, mit denen der Infizierte Kontakt hatte, ermittelt und den Behörden gemeldet werden.

Wer jetzt keinen Strom hat, ist besonders schlecht dran. Energieversorger, aber auch Vertreter anderer kritischer Infrastruktur versichern, es sei vorgesorgt worden.
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Doch wie machen einzelne Betriebe das? Man schotte sich weitgehend ab, sagt etwa der Nudelproduzent Joachim Wolf in Güssing. Er hat seine Mitarbeiter Anfang vergangener Woche eingeschult. Außer zur Arbeit dürfen sie sich nicht außer Haus begeben. Personen, die Ware abholen oder etwas bringen, dürfen nicht ins Unternehmen. "Bei uns ist alles dicht, damit wir ja nicht irgendwo eine Infektion hereinkriegen", sagt Wolf.

Bei Unternehmen der Strom- und Wasserversorgung gehen die Maßnahmen zur Infektionsvermeidung wohl am weitesten. "Die neuralgischen Punkte sind die zentralen Schaltwarten und die Warten in den Kraftwerken", heißt es bei der EVN. Die Mitarbeiter arbeiten dort seit Wochen abgeschirmt voneinander und essen auch getrennt. Für den Fall, dass dennoch Schlüsselpersonal ausfällt, gibt es manche Anlagen doppelt. Für Störungsfälle stünden zudem jederzeit 500 Monteure in Bereitschaft.

Auf Kernbetrieb fokussiert

Bereits Anfang März hat die Austrian Power Grid (APG), die für das Funktionieren des Hochspannungsnetzes in Österreich verantwortlich ist, den Krisenstab aktiviert. Versorgungssicherheit sei immer ein hohes Gut, erst recht in einer Krisensituation wie derzeit. "Wir haben alles auf den Kernbetrieb fokussiert, Baustellen kontrolliert heruntergefahren und andere Tätigkeiten bis auf weiteres eingestellt", sagt der technische Vorstand der APG, Gerhard Christiner, dem STANDARD.

Davon betroffen seien nicht nur Revisionstätigkeiten, Arbeiten bei Umspannwerken oder anderweitige Schutztätigkeiten, sondern auch der Netzausbau. So ist etwa auch der Weiterbau der Salzburgleitung bis auf weiteres gestoppt. "Das ist bitter, zumal wegen Brutzeiten und anderer Rücksichtnahmen nicht das ganze Jahr über gebaut werden kann, und es ist auch bitter für die diversen mit dem Bau betrauten Firmen, für die das ein Riesenauftrag ist. Aber die Gesundheit hat oberste Priorität", sagte Christiner.

Gut 500 der mehr als 600 APG-Beschäftigten arbeitet im Homeoffice. Besetzt, und zwar rund um die Uhr, bleibt das Kontrollzentrum. Von dort aus wird der Netzbetrieb gesteuert. Mittels Zu- und Abschaltungen von Kraftwerken wird sichergestellt, dass zu jeder Sekunde genau so viel Strom ins Netz kommt, wie verbraucht wird. Doch auch hier wurden Vorkehrungen getroffen, damit sich möglichst niemand infiziert.

Auch um die Lebensmittelproduktion machen sich die Menschen immer wieder Sorgen.
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Neben dem Kontrollzentrum am Johannesberg in Wien-Favoriten hat die APG für Krisenfälle eine Back-up-Warte eingerichtet, die normalerweise zu 100 Prozent Standby mitläuft. Jetzt versehen voneinander getrennte Teams abwechselnd Dienst in der Back-up-Warte (von sechs bis 18 Uhr) und am Johannesberg (von 18 Uhr bis sechs Uhr früh). Dazwischen wird desinfiziert und gereinigt. Notfalls könnten Teams dort auch übernachten.

Lange Liste

Auch die Post hat eine lange Liste an Vorsichtsmaßnahmen und Vorschriften. Nicht mehr als drei Kunden gleichzeitig in einer Filiale, die Zustellung erfolgt kontaktlos, Pakete und eingeschriebene Briefe werden nach Anläuten und mündlicher Information in die Briefkästen gelegt oder vor der Eingangstür abgestellt. RSa- und RSb-Sendungen werden nach Verständigung in den Briefkasten eingelegt. Unterschrift durch den Kunden braucht es nicht.

Die Briefträger scheinen sich an die Regeln zu halten, wie ein Rundruf bei manchen Postkunden zeigt. Diese Woche werden in den Filialen Plexiglas-Trennwände montiert und Handschuhe an die Mitarbeiter ausgeliefert.

Die Wiener Installateure machen darauf aufmerksam, dass Elektriker und Schlosser auch während einer behördlichen Quarantäne zur Schadensbekämpfung anrücken. Der Betrieb muss aber vorher Kontakt mit der zuständigen Gesundheitsbehörde aufnehmen und der Handwerker muss entsprechende Schutzkleidung tragen. (Regina Bruckner, Günther Strobl, 25.3.2020)