Die Wirtschaftsleistung sinkt dramatisch, der Verkehr wird massiv eingeschränkt, Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen sinken: Was dieser Tage weltweit geschieht, entspricht vielfach dem von radikalökologischer Seite geforderten Wachstumsverzicht, dem Degrowth. Auch der durch den Stillstand der Wirtschaft verursachte Konsumverzicht und die Entschleunigung des Alltagslebens werden von vielen begrüßt.

In Österreich bekommt im Rahmen der Kurzarbeit jeder Arbeitnehmer fast das Gleiche bezahlt, egal wie viel er oder sie arbeitet – und zumeist einen Betrag, mit dem man gut leben kann. In den USA will der von den Republikanern beherrschte Senat jedem Amerikaner 1200 Dollar schicken – nur so. Die aktuellen Rezepte gegen den Absturz der Wirtschaft erinnern stark an das bedingungslose Grundeinkommen (BGE), dessen flächendeckende Einführung seit Jahren vor allem von linker Seite gefordert wird.

Vorboten einer neuen Wirtschaftswelt?

Und in den sozialen Medien werden immer mehr Stimmen laut, die in der Corona-Krise die Chance sehen, um linke Wirtschaftsutopien auszuprobieren und möglichst auch danach beizubehalten. Aber sind die aktuellen Kriseninstrumente und -folgen tatsächlich Vorboten einer neuen Wirtschaftswelt? Sind die Erkenntnisse, die man jetzt gewinnt, auch auf normale Zeiten anwendbar?

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Welt kann auch mit weniger Flugreisen gut leben.
Foto: Reuters/Barria

Zuerst zum Grundeinkommen: Das Haupthindernis für ein BGE war und ist dessen Finanzierung. Wenn sie über Steuern geschieht, dann muss jeder, der arbeitet, einen großen Teil des Verdiensts an den Staat abliefern. Verbunden mit der Möglichkeit, ohne Arbeit bequem zu leben, droht hier das gesamte Anreizsystem, das ein funktionierendes Wirtschaftssystem aller Erfahrung nach benötigt, zusammenzubrechen.

Die Kurzarbeit muss allerdings nicht durch Steuern finanziert werden. Der Staat nimmt dafür einfach Schulden auf, was er in den kommenden Wochen in beispiellosem Umfang tun wird. Das ist derzeit besonders leicht, weil die Zinsen so niedrig sind. Österreich wird auf dem Kapitalmarkt derzeit sogar dafür bezahlt, wenn es sich verschuldet.

Überschuss von Ersparnissen

Das liegt nicht nur an der extrem lockeren Geldpolitik der Notenbanken, sondern dem Überschuss an angespartem Vermögen in der Welt, dem nicht genügend Nachfrage nach Investitionskapital gegenübersteht. Anleger sind zwar bereit, auf Zinsen zu verzichten, aber nur, wenn sie nicht fürchten müssten, ihr Kapital zu verlieren. Die Renditen auf österreichische, deutsche oder amerikanische Staatsanleihen dürften trotz massiver Haushaltsdefizite niedrig bleiben, weil jeder davon ausgeht, dass der Schuldenanstieg zeitlich begrenzt bleibt.

Würden die Finanzmärkte allerdings erwarten, dass sich Staaten permanent immer höher verschulden werden, dann wäre das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit selbst stabiler Staaten in Gefahr – und die Kosten der Verschuldung würden rasant steigen. Wohl könnten die Notenbanken das Geld für ein Grundeinkommen durch Gelddrucken zur Verfügung stellen, aber das würde früher oder später zu hoher Inflation führen und damit auch den Wert des Grundeinkommens ständig senken – oder die Kosten ständig erhöhen. Das Modell der Kurzarbeit ist kein Vorbild für ein BGE.

Worauf man verzichten kann

Und welche Lehren wird man aus dem radikalen Schnitt im Bruttoinlandsprodukt (BIP) ziehen können, der uns in den kommenden Wochen blüht? Es ist möglich, dass die Gesellschaft mit einem Wachstumsverlust, den man in Friedenszeiten bisher nicht für möglich gehalten hat, besser zurande kommt als gedacht – vor allem auch dank staatlicher Stützungsmaßnahmen.

Der durch den Stillstand der Wirtschaft verursachte Konsumverzicht und die Entschleunigung des Alltagslebens werden von vielen begrüßt.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Von den Aktivitäten, die wegen Covid-19 ausfallen, gibt es einige, auf die man auch in Zukunft verzichten könnte, um das Klima zu schonen: zu viele Flugreisen und der daraus resultierende Overtourism oder Geschäftstermine, die man auch per Video erledigen könnte. Wenn die Kreuzfahrtschifffahrt dramatisch schrumpft und es weniger Billigflieger gibt, wäre das kein großer Verlust. Auch die Heimholung ausgelagerter Lieferketten, über die viel gesprochen wird, kann sinnvoll sein, sei es wegen der Versorgungssicherheit bei Arzneien oder des CO2-Ausstoßes im internationalen Transport. Auf "Fast Fashion" kann die Gesellschaft leicht verzichten. Und wenn solche Wirtschaftszweige schrumpfen, dann können die dort Beschäftigten etwas anderes tun – oder aber die Gesellschaft passt sich durch kürzere Arbeitszeiten an den geringeren Output an.

Aber wir erleben gerade jetzt, wie schmerzhaft der Verzicht auf wirtschaftliche Leistungen sein kann. Wenn es keine kulturellen und sportlichen Veranstaltungen gibt, zu denen man gehen kann, die gesamte Gastronomie und der Großteil der Hotellerie geschlossen sind, es kaum offene Geschäfte gibt, dann geht nicht nur Einkommen für die dort Beschäftigten, sondern auch ein großes Stück Lebensqualität verloren.

Weniger Wohlstand für alle

Eine schrumpfende Wirtschaft bedeutet nicht nur geringere Unternehmensprofite, sondern auch weniger Wohlstand für die breite Bevölkerung. Wenn die Baustellen stillstehen, dann fehlt es bald an Wohnungen – und das treibt die Wohnkosten in die Höhe. Und wenn die Globalisierung beschränkt und die internationale Arbeitsteilung verringert wird, dann werden auch viele wichtige Dinge im Leben in einigen Jahren mehr kosten als heute.

Ja, die Klimakrise wird die Welt zu einer radikalen Umstellung der Wirtschaft zwingen, die dann keinen CO2-Ausstoß mehr verursacht und weniger Ressourcen verbraucht. Aber damit das nicht Hand in Hand mit schmerzhaften Verlusten an Lebensstandard und -qualität geht, braucht es gezieltes Wachstum in nachhaltigen Bereichen und nicht Degrowth. (Eric Frey, 25.3.2020)