Dass es keine gute Idee ist, sich mit einem Messer bewaffnet auf eine Schießerei einzulassen, gehört zum A und O jedes billigen Westernfilms. Die Indianer wissen in ihrem Kampf gegen die Cowboys ein Lied davon zu singen. Bis ins Weiße Haus scheint sich diese Binsenweisheit hingegen nicht herumgesprochen haben: Denn im Kampf gegen das Coronavirus agieren die USA bisher genau gemäß diesem schiefen Schnittmuster.

Dass sich nun ausgerechnet Donald Trump als Kriegspräsident inszeniert, der unerschrocken dem "unsichtbaren Feind" die Stirn bietet und Amerika vor dem Virus rettet, käme wohl selbst dem kühnsten Drehbuchschreiber nicht in den Sinn. Zögen anstatt eines Virus nämlich leibhaftige Soldaten gegen Amerika zu Felde, Washington wäre längst gefallen.

Donald Trump inszeniert sich als Kriegspräsident.
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Schließlich sind die USA für diesen "Krieg" völlig unzureichend bewaffnet. Einerseits aufgrund ihres bekannt fehleranfälligen Gesundheitssystems, andererseits wegen ihres Kriegsherren, der Wissenschaft geringschätzt und internationale Kooperationen von jeher verachtet – eine fatale Kombination. Viel zu lang hat Trump die Gefahr negiert, die von dem neuartigen Virus ausgeht, und so das weite Land den unsichtbaren Invasoren schutzlos ausgeliefert. Zehntausende US-Amerikaner infizierten sich, hunderte starben bisher. Wer in einem echten Krieg so agiert, riskiert einen Aufstand.

Gunst der Stunde

Erst als die Realität zwischen New York und Los Angeles so dramatisch wurde, dass selbst ein Demagoge von seinem Schlag sie nicht mehr umzudeuten vermochte, und die Börsenkurse abstürzten, nahm Trump das Heft in die Hand – freilich auf seine Art. Denn dem gewieften Wahlkämpfer ist nur allzu bewusst, dass eine außer Kontrolle geratene Pandemie samt wirtschaftlicher Devastierung seine Wiederwahl im November wohl weit stärker gefährden würde, als Joe Biden dies je vermögen würde.

Wochenlang musste der Präsident diesem während des demokratischen Vorwahlkampfs die große Bühne überlassen. Nun, wo sich Biden nur noch vom heimatlichen Hobbyraum aus per Videoschaltung an die besorgte Nation wenden kann, nutzt Trump die Gunst der Stunde, seinem Widersacher mittels täglicher Botschaften aus dem vergleichsweise opulenten Oval Office die Show zu stehlen.

Gut möglich, dass sich derlei Manöver für Trump am Ende auszahlen. Gelingt es ihm, die Corona-Krise doch noch irgendwie einzuhegen und die ökonomische Talfahrt aufzuhalten – sei es dank oder eben trotz seines Wirkens –, dürfte ihm die Wiederwahl im November nicht mehr zu nehmen sein. Indem er die Gesundheitskrise als Krieg ummünzt, schart er die ratlose Nation um sich – so sein Kalkül.

Halten sich die Opferzahlen entgegen den Prognosen in Grenzen, wird Trump seiner Basis die anfängliche Zurückhaltung als ruhige Hand verkaufen können. Gelingt es ihm, das Ruder noch herumzureißen, etwa indem er die US-Industrie dazu bringt, endlich mit aller Kraft die so bitter benötigten Medizingüter zu produzieren, könnte ihn das auch außerhalb seiner Anhängerschaft als tatkräftigen Präsidenten dastehen lassen. Seine verantwortungslose Ignoranz am Beginn wäre dann vergeben und vergessen. Und Donald Trump, der große Demagoge, stünde am Ende als Sieger da.

Schlägt Trumps Krisenmanagement allerdings fehl und bringt Covid-19 tatsächlich massenhaftes Sterben über die USA, ist er sein Amt im Herbst wohl los. Vieles deutet darauf hin. (Florian Niederndorfer, 24.3.2020)