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Smartphone-Überwachung gegen das Coronavirus: Viele Staaten sehen das als mögliche Lösung. Auch die Bundesregierung erwog Tracking, hat die Pläne aber vorerst wieder verworfen – wohl aus technischen Gründen.

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In Deutschland sorgte es für einen Aufschrei: ein Gesetzesentwurf der Regierung, der Gesundheitsbehörden den Zugriff auf Bewegungsdaten von nachweislich am Coronavirus erkrankten Personen einräumt. Nach massiver Kritik wurden die Pläne in Deutschland zumindest vorerst zurückgezogen, bis Ostern sollen neue Vorschläge kommen. In Österreich hieß es auf STANDARD-Anfrage aus ÖVP-Kreisen am Montag, dass derartige Maßnahmen "derzeit nicht vorgesehen" seien.

Älterer Gesetzesentwurf sah wohl Abfragen vor

Das heißt aber nicht, dass sie das nicht zunächst waren – wie eine ältere Version der Corona-Gesetze sehr eindeutig suggeriert. Die Gesetzesänderungen, wie sie nun gelten, sehen vor, dass Mobilfunkbetreiber dazu verpflichtet werden, von der Regierung verfasste Warnungen per SMS an ihre Kunden weiterzuverbreiten. In einem älteren Entwurf, der dem STANDARD vorliegt, ist in den Erläuterungen zu dem Abschnitt eine Passage enthalten, die "notwendige Aufrufe, etwa bei der Suche nach Kontaktpersonen einer erkrankten Person", anspricht.

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In diesem Fall dürften Behörden "auch auf Standortdaten der gefährdeten Person zurückgreifen" – und die Suche mittels eines Aufrufs durchführen. In der finalen Version ist diese Erläuterung nicht mehr zu finden.

Funkzellenabfragen sind ungenau

Warum das wieder entfernt wurde, ist unklar – jedoch dürften ähnliche Überlegungen wie nun in Deutschland tragend gewesen sein. Mit Standortdaten der Mobilfunker sind nämlich Informationen aus Funkzellenabfragen gemeint: Das Smartphone verbindet sich mit Funkzellen, um Signale zu übertragen. Mithilfe einer Abfrage ist es möglich, den Standort des Geräts – und damit des Users – zu erfassen.

Allerdings ergibt sich eine technische Hürde. So sind Funkzellenabfragen nicht besonders genau. Der Radius einer Funkzelle ist viel zu groß, um tatsächlich aussagen zu können, ob jemand sich in der Nähe einer Person befunden hat oder nicht. Somit würde bei einer Abfrage vermutlich eine viel zu große Anzahl an Personen vermeintlich mit infizierten Bürgern "in Kontakt getreten" sein.

Rechtslage

Funkzellendaten dienen grundsätzlich nur zu dem Betrieb des Telekommunikationsdienstes, anschließend sind diese entweder zu löschen oder zu anonymisieren, erklärt die Juristin Lisa Seidl von der Grundrechts-NGO Epicenter Works zum STANDARD. Wenn es keinen Anlass zur späteren Verarbeitung gibt – etwa aufgrund eines konkreten Verdachts oder einer richterlichen Anordnung – handle es sich um eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) mehrfach gekippt hat.

"Es wird also unterschiedslos gesammelt", sagt Seidl. "Auch rechtfertigt die derzeitige Situation keine Ausnahme, da Standortdaten zu ungenau sind und auf keine Infektion schließen lassen." Demnach handle es sich um kein geeignetes Mittel, kritisiert die Expertin. "Daher ist der Eingriff ungerechtfertigt und widerspricht grundsätzlich dem Grundrecht auf Datenschutz und dem Recht auf Privatsphäre."

Bewegungsstromanalysen

Aktuell nutzt die Regierung Bewegungsstromanalysen der teilstaatlichen A1, um zu ermitteln, wie gut sich Österreicher an die Ausgangssperre halten. Das wurde vergangene Woche bekannt – das Unternehmen betont dabei, dass es sich um anonymisierte Daten handle.

Reaktionen

Süleyman Zorba, der Netzpolitik-Sprecher der Grünen, sagt dem STANDARD, dass die Passage zu dem Zeitpunkt, an dem das Gesetz ihn erreichte, bereits nicht mehr drinnen war. "Die individuelle Überwachung von Personen ist für mich sowieso ausgeschlossen", sagt er. Die Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer bemerkt, es handle sich um einen "Entwurf auf BeamtInnenebene", der es nicht in die politische Koordnierung zwischen den Koalitionsparteien geschafft habe.

Nikolaus Scherak, stellvertretender Klubobmann der Neos, kritisiert in diesem Zusammenhang: "Ich glaube, das zeigt, dass man in solchen Zeiten besonders sensibel mit Grund- und Freiheitsrechten umgehen muss." Alles, was über das notwendige Maß hinausgehe, müsse besonders aufmerksam und achtsam behandelt werden. "Das zeigt, dass die Bundesregierung in ihrem ursprünglichen Überlegen nicht sensibel ist." (Muzayen Al-Youssef, 25.3.2020)