Griechenland gehört zu den EU-Ländern, die offen für Eurobonds sind.

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Wien/Frankfurt am Main – Die Corona-Krise wird ein tiefes Loch in den Budgets vieler EU-Länder hinterlassen. Österreich etwa budgetierte vorläufig zusätzliche 38 Milliarden Euro für ein Hilfspaket – und das bei einem Haushalt von rund 80 Milliarden Euro. Auf welche Summen sich Schulden und durch den wirtschaftlichen Stillstand entgangene Steuerausfälle letztlich aufaddieren werden, ist noch kaum vorherzusehen. Weder hierzulande noch in den Nachbarstaaten.

Was allerdings vorherzusehen ist: Manche Mitgliedsstaaten werden die Neuverschuldung leichter schultern können als andere. Deutschland muss beispielsweise geringere Zinsen auf seine Staatsanleihen zahlen als das hochverschuldete Italien. Es sei denn, die Mitglieder der Eurozone nehmen gemeinsam Schulden auf.

Neun EU-Länder fordern Eurobonds

In einem Schreiben an Ratspräsident Charles Michel forderten neun EU-Mitglieder genau das: ein gemeinsames Schuldeninstrument. Die Bekämpfung der durch die Corona-Pandemie verursachten Schulden erfordere "eine stabile langfristige Finanzierung", heißt es in dem Schreiben, das von Staats- und Regierungschefs von Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Portugal, Slowenien und Spanien mitgetragen wird. Demnach sollten gemeinsame Schuldtitel von einer EU-Institution ausgegeben werden, damit sich alle Mitgliedsstaaten "auf der gleichen Grundlage und zum Nutzen aller" Finanzmittel beschaffen könnten.

Damit bekommt vor allem Italien immer mehr Unterstützung, hatte man im Stiefelland doch bereits vergangene Woche die Einführung von Gemeinschaftsanleihen für die Finanzierung des Kampfes gegen die Corona-Krise gefordert. Aber auch immer mehr Ökonomen fordern die Ausgabe von gemeinsamen Schuldtiteln. Thomas Piketty und andere Wirtschaftswissenschafter etwa platzierten die Forderung nach Eurobonds Anfang der Woche in der "Financial Times". Auch auf der renommierten Ökonomieplattform "Vox" wurden zuletzt Forderungen nach gemeinsamen europäischen Schulden laut – etwa von den Ökonomen Steven Hamilton und Stan Veuger.

Mehrheit für EMS-Kreditlinien

Aber auch eine Gruppe von ökonomischen Hochkarätern rund um Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, und Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, sprach sich auf "Vox" für Eurobonds aus. Allerdings befürwortet die Ökonomen-Gruppe im Fall der Corona-Krise, die notwendige Liquidität für die betroffenen EU-Länder zunächst über den Eurorettungsschirm (ESM) bereitszustellen, Eurobonds können nicht schnell genug und wirksam eingeführt werden, mahnte Fratzscher. Stattdessen solle der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) Corona-Kreditlinien gewähren. Damit ließen sich die Risiken für die wirtschaftliche Stabilität aller EU-Länder effektiv verringern, so der Co-Autor.

Die europäischen Finanzminister, hört man, tendieren ebenfalls in diese Richtung. Im Rahmen einer Videokonferenz am Dienstagabend hatten sie überwiegend die Idee unterstützt, den ESM im Kampf gegen die Corona-Krise zu aktivieren. Länder könnten damit Darlehenszusagen bis zu zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung bekommen, sagte der Eurogruppenchef Mario Centeno. Im Falle Italiens wären das rund 36 Milliarden Euro.

Deutschland gegen Eurobonds

Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier lehnte gemeinsame Schulden in einem am Dienstag veröffentlichten Zeitungsinterview ab. Es handle sich um eine Gespensterdebatte, so der Christdemokrat. "Europäische Solidarität ist uns wichtig. Deshalb haben wir schon heute starke Instrumente in Europa: den ESM und die Hilfen der EZB", sagte Altmaier.

Gerade die Europäische Zentralbank unternimmt laut Insider-Information nun Schritte in Richtung gemeinsamer Anleihen. EZB-Chefin Christine Lagarde hat laut Insidern den Finanzministern der Eurozone nahegelegt, ernsthaft eine einmalige Ausgabe gemeinsamer Corona-Anleihen zu erwägen. Lagarde habe dies den Finanzministern in einer Videokonferenz am Dienstagabend vorgeschlagen, sagten zwei mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. "Sie sagte, wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, neben einer Nutzung der ESM-Instrumente", sagte eine an der Konferenz beteiligte Person.

Etwas mehr Klarheit über die Richtung der europäischen Krisenpolitik dürfte am Donnerstagabend herrschen. Die Staats- und Regierungschefs beraten am Donnerstagnachmittag in einer Videokonferenz über Maßnahmen gegen die massiven wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte danach, die Corona-Bonds lägen weiter auf dem Tisch. Auch Centeno sagte, es sei keine Lösung ausgeschlossen worden. Österreichs Finanzminister Gernot Blümel sagte kürzlich im Ö1-"Journal zu Gast", dass es für ihn kein Denkverbot gebe. (luis, 26.3.2020)