Derzeit gelten nur die im Labor ausgewerteten Coronavirus-Tests als hundertprozentig sicher – dennoch diskutiert das Land nun über schnelle Massentests für alle.

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Ein Bericht des Boulevardblatts "Heute" rüttelte zur Wochenmitte nicht nur die anderen Redaktionen auf: "Alle Österreicher sollen auf Corona getestet werden", schrieb das Gratismedium auf seiner Website, gespickt mit detaillierten Informationen über angeblich bald anstehende Massentests, die in Form von Überprüfungskits an die Bevölkerung herangetragen werden sollen.

Nach hektischen Telefonaten mit dem Kanzleramt und dem Gesundheitsministerium stand allerdings rasch fest: Ein solches Szenario könne man hierzulande nur "längerfristig" anstreben und wohl nicht schon mit April, wie man im Umfeld von Sebastian Kurz (ÖVP) erläuterte.

"Wir tasten uns gemeinsam Schritt für Schritt vor"

Dazu taten sich freilich auch Fragen nach etwaigen Dissonanzen zwischen Kanzler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) auf, nachdem Ersterer zuvor auf "testen, testen, testen" gedrängt hatte, Letzterer aber die Hoffnungen auf flächendeckende Überprüfungen wegen fehlender Kapazitäten samt fraglichen Ergebnissicherheiten eingedämmt hatte. Auf der Seite des Kanzlers schloss man am Mittwoch arge Meinungsverschiedenheiten in der Angelegenheit jedenfalls kategorisch aus: Auch diese Entscheidungen in der Corona-Krise werden im Einvernehmen getroffen, hieß es, und: "Jeden Tag beraten wir die Lage mit Experten, und politisch tasten wir uns so gemeinsam Schritt für Schritt vor."

Summa summarum bleibe es daher zunächst dabei, wie unlängst schon verkündet: In absehbarer Zeit sollen die aufwendigen Coronavirus-Tests, die in Labors mit hoher Genauigkeit ausgewertet werden können, auf 15.000 pro Tag hochgefahren werden – und zwar für Menschen, die Symptome zeigen, und deren Umfeld sowie das Personal im Gesundheitsbereich, das besonderer Ansteckungsgefahr ausgesetzt ist. Parallel dazu bemüht sich die Republik am Weltmarkt um sogenannte Schnelltests, die in die Hunderttausende gehen sollen und auch schon in China und Südkorea angewandt wurden. Damit wollen Kurz, Anschober und Co bei entsprechender Verdachtslage möglichst rasch eruieren können, ob das Virus in bestimmten Gegenden oder Bezirken besonders aggressiv grassiert. Ab wann diese Tests, deren Auswertungssicherheit eben nicht bei hundert Prozent liegt, verfügbar sind, ist freilich noch ungewiss.

Flächendeckender Unsinn

Am Wiener Stubenring, im Gesundheitsressort von Anschober, bemühte man sich ebenfalls, rasch zu kalmieren: Weder gebe es überzogene Testambitionen beim Koalitionspartner ÖVP noch einen Zwist hinter den Kulissen, wurde versichert. Vielmehr habe sich an den Plänen der Regierung nichts geändert. Zudem verwies man im Büro von Anschober auf den Virologen Herwig Kollaritsch, der auch Mitglied der Corona-Taskforce im Ministerium ist. Kollaritsch hatte am Dienstagabend in der "ZiB 2" erklärt, dass es auch nötig sei, mit Schnelltests die Durchseuchungsraten zu klären.

Zuvor hatte schon die Opposition, also SPÖ, FPÖ und Neos, tagelang und lautstark nach "flächendeckenden Tests" verlangt. Dass "flächendeckend" allerdings nicht räumlich zu verstehen sei, sondern sich der Terminus an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientiere, hatte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner schon zu Wochenbeginn via ORF präzisiert.

Das bedeutet: Alle, die Kontakt mit bereits erkrankten Infizierten hatten, sollen getestet werden – also auch jene, die selbst keine Symptome zeigen, weil diese Personen Menschen anstecken können, ohne es zu wissen.

Kritik äußern die Neos daher an den nun kolportierten, jedoch für die nahe Zukunft dementierten Plänen, die gesamte Bevölkerung testen zu lassen. Gerald Loacker von den Neos qualifiziert ein solches Ansinnen als "puren Populismus". So zu tun, als würden Schnelltests eine Rundumtestung ermöglichen und damit Sicherheit geben, sei unseriös, sagt er. Stattdessen sollten die noch brachliegenden Kapazitäten lieber für aussagekräftige Tests genutzt werden.

Tests vorrangig für Personen, die für die Aufrechterhaltung des Systems gebraucht werden, fordert FPÖ-Obmann Norbert Hofer. Ganz Österreich zu prüfen lehnt er auf Anfrage aber nicht kategorisch ab, denn: Südkorea zeige, dass es sinnvoll sei, so viele Menschen wie möglich zu testen. Für Hofer liegt die aktuell aufgeflammte Debatte ergo vor allem an der "Blockadehaltung" im von den Grünen geführten Gesundheitsressort. (Laurin Lorenz, Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner, 25.3.2020)