Lange hatte Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro Warnungen vor dem Coronavirus als Hysterie abgetan und damit landesweite Proteste ausgelöst. Bolsonaro beschwichtigt immer noch. Trotzdem hat er inzwischen den Notstand erklärt. Vergangenen Freitag verabschiedete das Parlament ein Gesetzesdekret, das Finanzmittel zur Bekämpfung der Pandemie freigibt.

Die Regierung beschloss eine Quarantäne von sieben Tagen sowie Einschränkungen beim Flugverkehr, alle Grenzen sind dicht, Schulschließungen werden erwogen. Einigen Städten und Regionen geht das nicht weit genug, weshalb sie einen schärferen Kurs fahren und weitgehende Ausgangssperren verkündeten. Auch in den Armenvierteln des Landes haben Drogenbanden und Milizen aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus Ausländern den Zugang untersagt und Quarantäne über die Bewohner verhängt. Der Fußballbetrieb ist unterbrochen. Zwölf der 20 Klubs der ersten brasilianischen Liga haben ihre Stadien für die Behandlung von Covid-19-Patienten bereitgestellt.

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Menschen mit Schutzmasken rund um den zentralen Bahnhof in der brasilianischen Großstadt Rio de Janeiro.
Foto: REUTERS/Ricardo Moraes

Das Coronavirus ist in Lateinamerika im Vergleich zu Europa mit einem gewissen zeitlichen Abstand aufgetreten. Derweil haben aber alle Länder des Kontinents Infektionen bestätigt, zuletzt verkündete Haiti vergangenen Donnerstag die ersten beiden Fälle.

Sorge um Wirtschaft

Brasilien traf es als Erstes – und bisher am stärksten: Die Zahl der Todesfälle ist dort laut den aktuellsten Zahlen der Regierung auf 46 gestiegen, jene der bestätigten Infektionen auf 2201. Doch Bolsonaro fürchtet vor allem die wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen im Kampf gegen das Virus, das er wiederholt als "Fantasie" und "kleine Grippe" abgetan hat. In einer Ansprache an die Nation forderte er am Dienstag die Bürgermeister der abgeriegelten Städte Rio de Janeiro und São Paulo auf, "zur Normalität zurückzukehren". Doch Brasilien ist auf einen größeren Ausbruch nicht vorbereitet. Das Gesundheitsministerium fürchtet, dass das Gesundheitssystem Ende April unter dem Druck der Krankheitswelle zusammenbrechen könnte.

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Maske statt Leugnen: Jair Bolsonaro.
Foto: REUTERS/Ueslei Marcelino/File Photo

Auch in Mexiko, wo der linksgerichtete Präsident Andrés Manuel López Obrador die Corona-Krise ebenfalls nicht als solche einstuft, dürften die Krankenhäuser laut Berechnungen des Latin America Risk Report des Beratungsunternehmens Hxagon binnen vier Wochen kollabieren, wenn die Zahl der Infektionen weiter steigt. Der Präsident stellte deshalb landesweit zehn Spitäler unter militärische Kontrolle. Am Montag schlossen erstmals Kirchen, Kinos und Bars. Zehn von zwölf Autoherstellern in Mexiko, dem weltweit viertgrößten Autoexporteur, machten ihre Fabriken zu.

Die meisten lateinamerikanischen Länder setzen seit spätestens Ende vergangener Woche auf schärfere Aktionen. In Argentinien gilt seit Freitag eine allgemeine Ausgangssperre. In Chile wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Panama und Kolumbien setzten alle internationalen Flüge aus. Peru, Honduras, El Salvador veranlassten Direktzahlungen an die Ärmsten. Ecuador regelt Ausgangsgenehmigungen elektronisch und staffelt Ausgabetermine für Desinfektionsmittel.

Venezuela prescht vor

Am schnellsten und rigorosesten reagierte Venezuela, wo das Gesundheitssystem schon mit der Normalsituation überfordert ist: In vielen Spitälern mangelt es selbst an Seife und fließendem Wasser. Es gilt daher eine Ausgangssperre, ohne Mundschutz darf niemand auf die Straße.

In der einen oder anderen Form verschärften also alle Staaten Lateinamerikas ihre Maßnahmen – bis auf Nicaragua: Der autoritär regierende Präsident Daniel Ortega hat weder Schulen noch Geschäfte schließen lassen, Fußballspiele finden weiterhin statt. Personen, die aus Ländern "mit aktiver Ansteckung" nach Nicaragua einreisen, wird eine zweiwöchige häusliche Quarantäne nahegelegt. (Anna Giulia Fink, 25.3.2020)