Christian Fischbacher wandte sich mit einem Facebook-Video an die Bevölkerung und erntete Respekt und Hilfsangebote.

Fischbacher

Christian Fischbacher ist seit vergangener Woche positiv auf das Coronavirus getestet. Die gesamte achtköpfige Familie hat sich angesteckt und ist in einem Doppelhaus in Flachau im Salzburger Pongau in häuslicher Quarantäne. Bei den Familienmitgliedern äußert sich die Krankheit unterschiedlich. Sein Bruder hat einen sehr starken Verlauf, seine Frau hingegen gar keine Symptome. Der 31-jährige Fotograf hat seine Erkrankung über ein Facebook-Video öffentlich gemacht, um die Menschen zu sensibilisieren. Denn sobald sie persönlich jemanden kennen, der erkrankt ist, würden die Leute das Coronavirus ernst nehmen, sagt Fischbacher im STANDARD-Gespräch.

STANDARD: Wer in Ihrer Familie hat sich als Erster angesteckt?

Fischbacher: Wer der erste Angesteckte war, wissen wir nicht sicher, die ersten Symptome hatte mein Bruder. Es hat letzten Montag mit starkem Husten angefangen, in der Nacht bekam er dann hohes Fieber. Er ist auch derjenige, der nach wie vor am meisten darunter leidet. Er ist 39 Jahre alt und Diabetiker. Deshalb trifft es ihn wohl auch viel schlimmer als uns. Wir haben keine Vermutung, wo er sich angesteckt hat. Er war weder in einem Lokal noch sonst wo.

STANDARD: Was haben Sie nach den ersten Symptomen gemacht? 1450 angerufen?

Fischbacher: Als er die ersten Anzeichen hatte, hat er sich beim Hausarzt gemeldet. Der meinte, das klingt verdächtig. Der Arzt organisierte, dass er einen Test machen konnte. Mein Bruder ist dann Dienstagnachmittag zum Drive-in in Schwarzach gefahren und wurde dort getestet. Gleichzeitig hieß es, dass wir auch in Quarantäne gehen sollten. Meine Eltern, meine Frau und ich wohnen in einer Doppelhaushälfte in unterschiedlichen Stockwerken, die andere Hälfte bewohnt mein Bruder mit seiner Frau und zwei Kindern. Zwei Tage später sind alle bis auf die Kinder getestet worden. Alle sind positiv.

STANDARD: Wie geht es Ihren Familienmitgliedern?

Fischbacher: Richtig schlecht geht es nur meinem Bruder, dem Rest relativ gut. Meine Mutter hat seit Dienstag wieder höheres Fieber. Sie war eigentlich schon auf dem Weg der Besserung und liegt jetzt auch wieder. Es ist heimtückisch, das Virus. Ich habe nur noch Husten, ansonsten keine Anzeichen mehr. Meine Frau hat nach wie vor keine Symptome, sie hatte weder Husten noch Fieber. Die ist pumperlgsund, fit und kann noch Sport machen. Sie war sehr schockiert, dass sie positiv getestet wurde. Das ist die Gefahr, dass Leute ohne Symptome rausgehen und es zu leicht nehmen. Mein Bruder leidet und kämpft. Ihm tut schon alles so weh, und er hat immer mehr Husten. Ich stehe neben ihm und kann normal reden. Das sind die Extreme der gleichen Krankheit – das macht das Coronavirus so suspekt und extrem hinterlistig.

STANDARD: Wie sind Sie mit den Ärzten in Kontakt?

Fischbacher: Die Versorgung ist sehr gut. Wir melden uns täglich beim Hausarzt. Er schaut, welche Medikamente wir benötigen. Wenn vor Ort ein Doktor gebraucht wird, kommt ein Ambulanzfahrzeug mit einer Ärztin in einer Schutzbekleidung. Die war bereits bei meinem Bruder, um zu checken, ob sich eine Lungenentzündung entwickelt. Er bekam dann Medikamente.

Christian Fischbacher wandte sich mit einem Video an die Flachauerinnen und Flachauer.

STANDARD: Wie geht es der Familie psychisch?

Fischbacher: Zuerst dachten wir, es wird nicht so schlimm sein, so wie eine Frühjahrsgrippe eben. Die Diagnose war dann im ersten Moment für alle ein Schock. Die Frage war: Was passiert jetzt? Was kommt auf uns zu? Doch wir wurden von der Gesundheitsbehörde und den Ärzten sehr gut informiert. Weil wir dann gleich miteinander geredet haben in der Familie, ist die psychische Belastung gleich besser geworden. Wir können nichts machen, wir wollten uns ja nicht zu Fleiß anstecken. Wir leben in den Tag hinein und warten ab, bis es besser wird.

STANDARD: Mussten Sie Ihre Kontakte oder ein Bewegungsprofil abgeben?

Fischbacher: Ja, man wird gefragt, wen man 48 Stunden vor Auftreten der ersten Symptome getroffen hat. Da gibt es mehrere Klassen: ob man mit jemandem länger als eine Viertelstunde in einem Raum war, ob man zwei Meter entfernt stand oder jemanden angegriffen hat. Da füllt man dann eine Liste aus. Bei uns waren das nicht viele Leute, weil mein Bruder vorher schon Symptome hatte. Bei mir waren es zwei Personen. Die sind nun auch in Quarantäne. Wenn sie in zwei Wochen keine Symptome bekommen, reicht das, ansonsten gibt es einen Test.

"Mein Bruder leidet und kämpft, meine Frau hat keine Symptome. Das sind die Extreme der gleichen Krankheit – das macht sie so suspekt und extrem hinterlistig", sagt der 31-Jährige im Interview.
Foto: Fischbacher

STANDARD: Warum haben Sie sich in einem Facebook-Video an die Flachauerinnen und Flachauer gewandt?

Fischbacher: Wir haben nach dem ersten Schock viel mit der Familie und Freunden telefoniert. Da haben wir gemerkt, dass es die jetzt voll ernst nehmen. Wir dachten uns, so können wir etwas tun, damit das jeder ernster nimmt. Wenn wir offen darüber reden, denken die Leute in unserer Umgebung: Den kenn' ich, und der hat das auch. Wir wollen damit die Leute sensibilisieren. Nehmt es ernst und nicht locker, es kann jeder kriegen. Nicht alle sind so krank, aber haben es trotzdem. Man muss sich nicht schämen. Ich kenne mittlerweile viele, die positiv sind, das aber nicht sagen wollen aus Angst, dass man dann gemieden wird. Es haben auch einige angerufen, die die gleichen Symptome haben, aber fest der Meinung sind, sie sind nur verkühlt – und nicht zum Arzt gehen.

STANDARD: Wie waren die Reaktionen auf das Video?

Fischbacher: Das Telefon hat danach durchgehend geläutet, und ich habe über 300 Nachrichten bekommen. Alle wollten helfen. Ich glaube, ich hätte 500 Leute zum Einkaufengehen. Es bringen so viele Leute einen Kuchen vorbei, Schokolade oder Lebensmittel. Sie legen uns was vor die Tür und rufen an, wenn sie weg sind. Sehr viele haben uns auch Respekt gezollt für die Offenheit.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die gesetzten Maßnahmen?

Fischbacher: So, wie bei uns im Ort die Maßnahmen gesetzt worden sind, mit der Quarantäne, das ist im Nachhinein sehr gut. Auch wenn es anfangs Kritik gegeben hat. Es ist zum Schutz, nur so bekommt man das in den Griff. Wenn das Ganze vorbei ist und sich die Leute wieder anfangen zu bewegen, muss nur eine infizierte Person dabei sein, und dann geht die Geschichte wieder von vorne los. Die Maßnahmen der Regierung finde ich wirklich super. Da müssen sich noch einige Länder etwas von uns abschauen. Ich glaube, es wurde zum richtigen Zeitpunkt der richtige Schritt gesetzt. (Stefanie Ruep, 26.3.2020)