"Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Public-Private-Partnership gemacht, das soll jeder Träger selbst entscheiden." SVS-Chef Peter Lehner
"Das Wahlarztsystem führt zu einer Aushöhlung des Solidarsystems, immer weniger wollen ins Kassensystem einsteigen." Patientenanwältin Sigrid Pilz
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Die unter Türkis-Blau geschnitzte Krankenkassenreform hat die Macht der Wirtschaftsvertreter gestärkt. In allen wichtigen Gremien der Sozialversicherung haben sie die roten Arbeitnehmer verdrängt. Dementsprechend angespannt ist seit Anbeginn das Verhältnis zwischen den roten und den türkis-schwarzen Funktionären. Nun hat sich durch die Ermittlungen gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ein neues Konfliktfeld aufgetan: Arbeitnehmervertreter Andreas Huss ist dafür, die Mitfinanzierung von Privatspitälern aus Geldern der Sozialversicherten neu zu regeln. Der Arbeitgebervertreter Peter Lehner sieht das anders. Für ihn sind "Privatspitäler wichtige Teamplayer im österreichischen Gesundheitssystem und leisten einen wertvollen Beitrag für die Versorgung der Versicherten".

Mehr Effizienz

In der Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS), in der Peter Lehner ebenfalls seit Jahresbeginn Obmann ist, setzt man schon länger auf die Zusammenarbeit mit Privatunternehmen. Das Gesundheitszentrum der SVS wurde teilprivatisiert und wird nun als Public-Private-Partnership-Modell in Kooperation mit der Premiqamed, einer 100-prozentige Tochter der Uniqua, geführt.

Hier werden nicht nur Gesundenuntersuchungen gemacht, sondern auch Beurteilungen für das Pflegegeld und Arbeitsunfähigkeit. "Wir haben das aus Effizienzgründen beschlossen", sagt Lehner. "Pflegegelduntersuchungen führen wir sowohl mit SVS-Ärztinnen und -Ärzten, externen Medizinern und in PPP-Modellen durch. Bei der Begutachtung agiert das Gesundheitszentrum wie ein externer Gutachter." Ob solche Teilprivatisierungen auch anderen Sozialversicherungen empfohlen werden? "Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Public-Private-Partnerships mit unterschiedlichen Partnern gemacht. Aber das sollte jeder Träger selbst entscheiden", meint der SVS-Obmann.

"Die Rolle der Privatspitäler ist mit jener der Wahlärzte zu vergleichen. Sie ergänzen das Angebot, schaffen Wahlfreiheit und entlasten das österreichische Gesundheitsystems", meint Lehner.

Aushöhlung des Solidarsystems

Das sehen manche, etwa die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz, kritisch: "Neben der Aushöhlung des Solidarsystems führt das Wahlarztsystem dazu, dass immer weniger Ärzte ins Kassensystem einsteigen wollen, weil die Bedingungen und die Verdienstmöglichkeiten als Wahlärzte derart attraktiv sind."

Private Krankenversicherungen sind für Lehner kein Ersatz für die Sozialversicherung, aber eine gute Ergänzung. Eine Krankenzusatzversicherung empfiehlt er jenen, "die besonderen Wert auf Zusatzleistungen und speziell auf die Hotelkomponente bei Krankenhausaufenthalten legen". Die Privatversicherungen hätten dafür durchaus attraktive Angebote. "Sie sind in Österreich aber in einer sehr fordernden Situation, da die Absicherung durch die Sozialversicherung wirklich hervorragend ist", so Lehner. Auch das sieht Sigrid Pilz kritischer: "Es besteht die Gefahr, dass sich das solidarische Gesundheitssystem zu einer Basisversorgung rückentwickelt, und damit einhergehend der Druck auf das Abschließen einer Zusatzversicherung steigt. Das können sich weite Teile der Bevölkerung nicht leisten." (Andrea Fried, 9.6.2020)