Bild nicht mehr verfügbar.

Eckart von Hirschhausen ist Arzt, deutscher Fernsehmoderator, Zauberkünstler, Comedian und Buchautor. Er setzt sich im Rahmen von Scientists for Future für eine Bewältigung der Klimakrise ein. Mit seinem Kabarattprogramm war er vor der Corona-Krise in Wien.

Foto: Picturedesk.com / laif / Dominik Butzmann

Bild nicht mehr verfügbar.

Den Jungen zuhören, ihre Sorgen ums Klima ernst nehmen und Aktivitäten setzen: So sieht Hirschhausen seine Rolle.

Foto: Picturedesk.com / laif / Dominik Butzmann

STANDARD: Herr von Hirschhausen, Sie hielten vor Studierenden der Med-Uni Wien einen Vortrag und sprachen dabei von einer "Allianz der Wissenswilligen". Wie hoffnungsvoll sind Sie, was den Wissenshunger der "Jungen" angeht?

Eckart von Hirschhausen: Mit diesem Pauschalurteil tun wir den jungen Leuten unrecht. Wir als ältere Generation sollten den Jugendlichen und jungen Erwachsenen dankbar sein, denn ohne all diejenigen, die auf die Straße gegangen sind, gäbe es überhaupt keine so breite Diskussion über den Klimawandel. Das Schlimmste, was man "der Jugend" vorwerfen kann, ist, dass man selber nicht mehr dazugehört. (lacht) Viele verstehen, dass sie in eine sehr viel unsicherere Zukunft schauen als ihrer Eltern. Und bei den Demonstrationen erlebe ich viele sehr gut informierte, ernsthafte junge Menschen. Mit den Scientists for Future haben wir ja vor einem Jahr eine wichtige Publikation mit der Zustimmung von 28.000 Wissenschaftern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zur Unterstützung formuliert: Die Anliegen sind völlig berechtigt! Wir sind in einer planetaren Notlage. Das ist vielen nicht klar. Was nutzt einem Bildung, wenn keiner auf die Gebildeten hört?

STANDARD: Die Klimaleugner geben vor, auch sehr viel zu wissen: wie man Klimaschützer wie Greta Thunberg verächtlich macht, die Erderwärmung schlicht abstreitet und weiterhin möglichst viel Geld durch die Ausbeutung der Erde verdient.

Hirschhausen: Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Es ist wahnsinnig anstrengend, mit Klimaleugnern zu diskutieren – jeder meiner Facebook-Posts zu diesem Thema wird teilweise auch sehr tendenziös und manchmal schlicht unterirdisch hasserfüllt kommentiert. Aber es ist dringend nötig, es immer wieder zu betonen: Der Klimawandel ist real und menschengemacht. Deshalb können und müssen Menschen etwas dagegen tun. Hier sehe ich mich auch in der Rolle des Arztes: bevor wir über Behandlungen und Therapien sprechen, erst einmal eine Diagnose zu stellen, so brutal sie momentan auch ausfällt.

STANDARD: Und wie ist Ihre Diagnose?

Hirschhausen: Unsere Mutter Erde ist krank, sie hat hohes Fieber, das weiter steigt. Wir sind als ihre Kinder existenziell darauf angewiesen, dass wir sauberes Wasser haben, saubere Luft, gesundes Essen und eine erträgliche Außentemperatur. Alle diese Dinge, die wir für selbstverständlich hielten, sind es nicht, und wir müssen uns jetzt mit diesen Themen auseinandersetzen. Wir müssen nicht "das Klima" oder "die Erde" retten – sondern uns! Die Erde kann gut ohne uns. Wir aber nicht ohne die Erde. Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten. So einfach. Es gibt keine "Umwelt", sondern nur eine Mitwelt. Oder haben Sie zu Hause Um-Bewohner?

STANDARD: Sie selbst sind kein Freund der Hitze und sprachen gerade in einem höchst unangenehmen Raumklima. Meinten Sie deswegen, dass der nächste Klimagipfel in einer Sauna stattfinden solle, damit auch die Entscheider körperlich spüren, worum es geht?

Hirschhausen: Ich finde den Vorschlag nach wie vor großartig! (lacht) Jede Diskussion braucht eine Prise Humor, damit das Ganze nicht so verbiestert rüberkommt. Wenn es zum Beispiel um mehr öffentlichen Verkehr, mehr schnelle Züge, weniger Flüge und weniger Raser auf der Autobahn geht, empfehle ich: Wer gerne schnell Porsche fährt, Vollgas, freie Strecke, und das auch noch emissionsfrei in der Elektrovariante – wie wäre es mit einer Carrera-Bahn? Oder: Wer auf sehr unwegsamem Gelände wohnt, braucht einen SUV. Das kann ich verstehen, wenn man da zwei Tonnen Stahl und die PS von einem Traktor braucht, um voranzukommen. Aber wenn man dann auf öffentlichen Straßen fährt, sollten die genauso schnell fahren dürfen wie ein Traktor. Mit 25 km/h Höchstgeschwindigkeit erledigt sich das Problem dieser übermotorisierten Schüsseln von alleine!

STANDARD: Ein Problem vieler Klimaschützer ist: Wasser predigen und Wein trinken. Kamen Sie selbst mit dem Zug nach Wien?

Hirschhausen: Das war der Plan, aber dann kam mir der Orkan Sabine in die Quere und legte den gesamten Zugverkehr in Deutschland lahm. Um überhaupt zu meinen Auftritten in Wien und zu der Vorlesung zu kommen, musste ich einen Teil der Strecke mit dem Auto fahren. Ansonsten bin ich aber leidenschaftlicher Bahnfahrer. Und wenn ich doch mal fliegen muss, zahle ich für jeden Flug einen CO2-Ausgleich. Ich bin auch Botschafter von Atmosfair. Ich fände es wichtig, dass man bei Suchmaschinen, wenn man einen billigen Urlaubsflug sucht, neben der Kostenaufstellung noch eine CO2-Angabe abgebildet bekommt. Eine Studie hat gezeigt, dass Menschen sich beim Lebensmittelkauf anders entscheiden, wenn sie wissen, wie viel CO2 drinsteckt. Wenn ich eine Fleischsuppe statt einer Gemüsesuppe kaufen will, die aber eine zehnmal schlechtere CO2-Bilanz hat, überlege ich mir noch mal, ob ich nicht doch die Gemüsesuppe esse.

STANDARD: Was ist neben Mobilität unser größter Hebel?

Hirschhausen: Unsere Ernährung. Die Idee einer "Planetary Health Diet" verbindet das, was dem Körper guttut, mit dem, was dem Planeten guttut. Und das ist vor allem weniger Fleisch, weniger Zucker und Milchprodukte, mehr Nüsse, Hülsenfrüchte und buntes Gemüse. Das kann man den Menschen nicht vorschreiben, aber verschreiben. Aus ärztlicher Sicht sind mit einer pflanzenbasierten Ernährung, die Diabetes und Übergewicht vermeiden hilft, Millionen Herzinfarkte und Schlaganfälle, praktisch alle großen Zivilisationskrankheiten zu verhindern. Es geht uns und dem Planeten besser.

STANDARD: Sie meinen: weniger Fleisch essen?

Hirschhausen: Gerade weniger Fleisch zu essen ist sehr sinnvoll, weil wir die Erde zugrunde richten mit Ackerflächen, die für Futtermittel gerodet werden, und, und, und – alles bekannt, aber wir erleben das nirgends. Es bleibt so herrlich abstrakt, dass für eine Kalorie aus Fleisch erst mal tausende Liter Wasser und 20 Kalorien verfüttert werden müssen, und die lösen sich ja nicht in Luft auf, sondern in Klimagasen – als Rülpser, Pupse und Fäkalien, um mal deutlich zu werden. Wie wäre es, wenn man ein Kilo Fleisch im Supermarkt kauft und an der Kasse dazu dann automatisch einen 20-Liter-Eimer Gülle mit ausgehändigt bekommt? "So, Herr von Hirschhausen, das gibt es ab heute nur noch im Doppelpack, das haben Sie mit eingekauft, brauchen Sie einen Deckel, oder geht das so mit? Viel Spaß beim Grillen!"

STANDARD: "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!", lautet ein Slogan der Jugend in Richtung "Alte". Sie halten das für falsch und plädieren dafür, "die Alten" nach ihrem Wissen zu fragen: "Wart ihr mit einem Paar Schuhe glücklich?"

Hirschhausen: Ganz ehrlich, ich glaube, sie waren damit glücklicher! Nachhaltigkeit ist keine Erfindung der Neuzeit, gerade viele ältere Menschen leben völlig selbstverständlich und oft auch unbewusst nachhaltig. Mein Vater zum Beispiel ist der Nachhaltigste in unserer Familie. Während sich gerade Turnschuhhersteller loben, dass sie jetzt Plastik recyceln, hat er immer noch sein eines Paar Adidas Rekord, die plötzlich wieder voll angesagt sind. Das nachhaltigste Produkt ist das, was man schon hat und weiter nutzt, statt etwas neu zu kaufen. Er ist noch nie in seinem Leben auf die Malediven oder Kanaren geflogen. Er kam als Kriegskind gar nicht auf die Idee. Und so wurden wir auch sehr sparsam erzogen, wofür ich heute sehr dankbar bin, weil es einen immun macht gegen den Hype um Marken und Prestigegüter. Zum Familienurlaub waren wir sehr oft in Österreich, daher liebe ich es auch seit Kindertagen, hier zu sein. Um die Natur zu schützen, muss man sie erst einmal schätzen.

STANDARD: Das beste Mittel gegen Angst ist "aktiv werden"?

Hirschhausen: Haben Sie sich als Kind auch vor Monstern unter Ihrem Bett gefürchtet? Und egal, wie oft die Eltern nachgesehen haben, es hat nichts geholfen? Bei meinen Recherchen bin ich einmal auf eine tolle Erfindung kreativer Eltern gestoßen – das Monsterspray. Das Etikett leuchtet im Dunkeln, das Kind bekommt gegen seine diffuse Angst etwas Konkretes in die Hand und sprüht dem Monster direkt ins Gesicht. Das Prinzip bleibt auch im Erwachsenenalter gültig: Was hilft gegen Ohnmacht? Etwas machen, egal was. Fangen Sie an – heute! Ich selber habe eine Bahncard 100, um Flüge zu meiden, esse kaum mehr Fleisch – aber das Wichtigste ist, nicht nur auf den Fußabdruck zu schauen, sondern auf den "Handabdruck", durch politisches Handeln. Da lerne ich gerade viel dazu.

STANDARD: Haben Sie selbst manchmal Angst?

Hirschhausen: Aber natürlich, nur ein Idiot hat in Zeiten wie diesen keine Angst. Deswegen ist es mein Monsterspray, die Gesundheitsberufe zu aktivieren. Am 20. September habe ich beim globalen Klimastreik vor dem Brandenburger Tor zu 270.000 Menschen sprechen dürfen, warum die Klimakrise ein medizinischer Notfall ist. Ärzten und Pflegekräften wird mehr geglaubt als Politikern. Deshalb spielt "Health for Future" eine zentrale Rolle, um viele Menschen aufzuwecken.

STANDARD: Wer macht mit?

Hirschhausen: Ich bin stolz, dass wir zusammen mit der Allianz Klimawandel und Gesundheit vor der Charité demonstriert haben, ich für das Auswärtige Amt über "One Health" sprechen durfte, auf dem World Health Summit eine Pressekonferenz viele erreicht hat und dass die Ärzteverbände – vom Weltärztebund über den Lancet Climate Count Down bis zum Deutschen Ärztetag – jetzt Klimakrise und Gesundheit voranbringen. Und aus der Vorlesung haben sich tolle neue Querverbindungen ergeben. Viele Studierende haben sich bereiterklärt, sich zu engagieren. Die Organisatorin von Fridays for Future war auf dem Podium für das Victor-Frankl-Zentrum, dazu Menschen von der Ärztekammer, Greenpeace, anderen NGOs: Es passiert viel – und es bleibt noch viel zu tun. (Manfred Rebhandl, CURE, 26.4.2020)