Wenn sie den Mann nur nicht demnächst verurteilen und einsperren, nachdem er Österreich vor einer Unterschätzung des Coronavirus durch die hiesige Regierung bewahrt hat! Das wäre grober Undank, hat doch Kanzler Kurz nun eingestanden, erst Benjamin Netanjahus Warnung vor dem Virus habe bei ihm ausgelöst, sich intensiver mit der Krise zu beschäftigen. Höre Israel, und damit Israel Kurz auch zuhört, hat er dieses Geständnis im israelischen Fernsehen zur dortigen innenpolitischen Verwendung abgelegt. In Österreich war bisher weniger von der schönen Bescheidenheit zu merken, den Ruhm des Seuchenretters mit ausländischen Regierungschefs zu teilen, nicht einmal mit dem Gesundheitsminister. Wenn er sich nur nicht demnächst von Viktor Orbáns Warnungen vor der Gefahr von zu viel Demokratie in Zeiten von Corona (und auch sonst) anregen lässt. Immerhin nehmen auch hierzulande die Bedenken vor Einschränkungen der Grundrechte durch die Regierung zu.

Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

In der Gefahr wächst das rettende Bedürfnis, Verantwortung zu teilen, auch in der österreichischen Innenpolitik. Das aktuelle Mantra "Testen, testen, testen" galt zuerst der Feststellung, ob die Sozialpartnerschaft nach ihrer Isolierung vom türkisen Regieren – eine verfrühte Anwendung von Social Distancing – doch noch zu irgendetwas zu gebrauchen wäre. Und siehe da, kaum aus der Abstellkammer geholt, präsentierte sie ein Kurzarbeitsmodell, das das bisherige Kurz-Arbeitsmodell blass aussehen ließ. Es kann dem Bundeskanzler nicht leichtgefallen sein, die Arbeitnehmervertreter wieder am Tisch des Hauses zuzulassen, auch wenn es zunächst nur ein Krisentisch ist, war doch die Liquidierung der Sozialpartnerschaft einer der Grundpfeiler seines Regierens.

Gesinnungsänderung

Noch nicht vergessen, noch nicht einmal voll ausjudiziert, wie mit der Reform der Sozialversicherung und dem Zwölfstundentag der Einfluss von Arbeiterkammer und Gewerkschaft schumpeterisiert werden sollte, um diese so weit zu schwächen, dass auch sie ins Schema passen, das ein Nationalbank-Gouverneur als Musterbeispiel neoliberaler Krisenbewältigung skizzierte. Plötzlich schwärmt ein Harald Mahrer von der Notwendigkeit, aufeinander zuzugehen, als wäre nicht die türkise Führungsspitze vor dieser Partnerschaft davongelaufen. Ein Sebastian Kurz, dessen Regierungsmaxime es war, die Sozialpartnerschaft nicht zu brauchen, ermuntert jetzt ihre Aktivitäten mit der Einladung "Sagts, was ihr braucht".

Nun soll man diese Momentaufnahme im Krisenmodus nicht überschätzen, niemand kann derzeit sagen, ob sich hinter diesem Wandel eine Gesinnungsänderung verbirgt oder nur türkise Taktik, bis für die Regierung das Schwerste überstanden ist. Aber einfach, weil zu auffällig, wird es nicht mehr sein, die nun erneuerte Partnerschaft ein zweites Mal aufzukündigen. Bleibt sie, hätten wir schon ein Beispiel, wie Corona Österreich veränderte.

Auch nicht freiwillig muss die Regierung nun wohl türkis-blaue Schäbigkeit an den vielen ausländischen Pflegerinnen beheben, will sie bedürftige Landsleute nicht körperlichem und seelischem Elend ausliefern. So wird falsche Politik von der Seuchengeschichte eingeholt.(Günter Traxler, 26.3.2020)