Die Mordrate geht bei "Soko Kitzbühel" mit Julia Cencig und Veronika Polly in diesem Frühjahr gegen null. Das Coronavirus stoppte die Dreharbeiten der ORF-Produktion.

Foto: ORF / Stefanie Leo

Durch das Coronavirus bleibt die Mordrate in Tirols weitaus gefährlichstem Serienort vorerst niedrig wie nie: Kommende Woche hätten die Vorbereitungsarbeiten für die neue Staffel von Soko Kitzbühel beginnen sollen. Covid-19 macht – wie fast überall – auch diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Die Produktionsfirma Gebhardt verschob den Dreh, noch bevor er so richtig beginnen konnte.

Rund 250 Filmleute sind damit ohne Job. Weil in dieser Branche Verträge meist erst beim tatsächlichen Beginn der Dreharbeiten unterschrieben werden, fallen viele auch nicht unter Kurzarbeitsregelungen. Weitere Drehstopps gab es wie berichtet neben Soko Kitzbühel für eine neue Tatort-Folge, David Schalkos Serienprojekt Ich und die anderen, vorerst auf Eis liegen etwa Schnell ermittelt und ein neuer Landkrimi.

Wahllose Kündigungen

Zu "wahllosen sogenannten einvernehmlichen Kündigungen" sei es vorige Woche gekommen, berichtet Fabian Eder, der Vorsitzende des Filmschaffendendachverbands. Nach dem traditionell auftragsschwächeren Winter stehen viele Filmleute jetzt zum Saisonstart im Frühjahr buchstäblich vor dem Nichts. Hilfspakete hat das Kulturministerium zugesagt. Bis zu 6.000 Euro aus dem am Donnerstag beschlossenen Härtefallfonds für Kleinere Betriebe, Einpersonenunternehmen, Neue Selbstständige und Vereine können auch Künstler beantragen. Eder sieht aber darüberhinaus auch den ORF als größten Auftraggeber des Landes in der Pflicht. Dieser verweigere aber das Gespräch mit den Filmschaffenden und ziehe sich auf die Position des Außenstehenden zurück, sagt Eder.

Grüne Kritik

Der ORF verspricht auf Anfrage des STANDARD "intensiven Austausch mit seinen Vertragspartnern, um die betroffenen Produktionsfirmen in diesen herausfordernden Zeiten bestmöglich zu unterstützen". An bereits fixierten TV-Produktionen halte man fest, jedes Projekt werde einzeln betrachtet. Parallel dazu werde im Zusammenspiel mit Wirtschaft und Politik an einer "größeren, gesamtheitlichen Lösung für den Markt gearbeitet".

Anderswo wurden bereits konkretere Maßnahmen zugesagt: In Deutschland kündigte das ZDF an, Produzenten mit der Hälfte der Mehrkosten bei Ausfall oder Drehstopp auszuhelfen. Die ARD will Produktionsfirmen animieren, alle Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, die der Staat in der derzeitigen Situation bietet. Etwaige Mehrkosten will man bis zu 50 Prozent übernehmen. Auch Privatsender leisten ihren Beitrag: Nach RTL sagte auch ProSiebenSat1 zu, rund 50 Prozent der Mehrkosten der Produktionen zu erstatten.

Netflix unterstützt

Unterstützung zugesagt hat auch Netflix: "Wir sind nur so stark wie die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten", fasst der Streaminganbieter sein Hilfsprogramm zusammen, das mit einem 100 Millionen Dollar schweren Fonds Produktionsfirmen hilft, die nicht weiterarbeiten können. Das Geld soll an beschäftigungslos gewordene Schauspieler und Crew-Mitglieder fließen. In Großbritannien rief das British Film Institute mit einer Spende von 1,2 Millionen Dollar von Netflix einen neuen, von der Branche unterstützten Covid-19-Rettungsfonds für Film und Fernsehen ins Leben.

Die grüne Kultursprecherin Eva Blimlinger kritisiert, dass der ORF keine konkreten Unterstützungsmaßnahmen treffe: Wie in Deutschland solle der ORF seine Aufgabe wahrnehmen und auf Produktionsfirmen dahingehend einwirken, dass sie "Kurzarbeit in Anspruch nehmen". Einige Firmen würden das Modell auch umsetzen. Zwei große Firmen hätten allerdings bei insgesamt vier Produktionen rund 200 Leute auf die Straße gesetzt, an dreien sei der ORF beteiligt. Eva Blimlinger an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz: "Sorry, aber das geht gar nicht."

Kündigungen in Deutschland

Bei deutschen Produktionen habe es ebenfalls Kündigungen gegeben, sagt der Anwalt Steffen Schmidt-Hug. Viele würden jedoch an Lösungen mit Kurzarbeit arbeiten. Mit seiner Münchner Künstlerkanzlei bietet er Rechtsberatung für Filmschaffende an.

Ihnen empfiehlt er per Berufsbrief in einer Rundmail, "auf keinen Fall" einer Verschiebung des Vertrages oder einer Änderung des Vertragszeitraumes zuzustimmen: "Damit riskiert man nicht nur den Verlust der eigenen Gage, sondern auch soziale Sicherungsinstrumente wie Kurzarbeitergeld und sogar Arbeitslosengeld." (Doris Priesching, 27.3.2020)