Werner Kogler hat das Hilfspaket für die Grünen mit der ÖVP verhandelt. Er hofft auf rasche Zahlungen, damit ein "Einschlag" auf die gesamte Wirtschaft vermieden werden kann. Der Vizekanzler macht sich für Limitierungen der Gewinnausschüttungen stark, wenn Betriebe Staatshilfe anfordern. Bei der Beendigung der Betretungsverbote und Ausgangsbeschränkungen bremst er: Die Gesundheit stehe im Vordergrund, meint der Grünen-Chef.
STANDARD: Die Regierung hat die Hilfstöpfe konkretisiert. Warum hat es eine Woche gedauert, um die dringend benötigte Unterstützung zu fixieren?
Kogler: Das ist alles relativ. Wenn ich das mit anderen Ländern vergleiche, sind wir da gut unterwegs, zumal es anderswo auch erst den generellen Rahmen, aber kaum Durchführungsbestimmungen gibt. Die Zugangsberechtigung für die Hilfsmittel effizient zu gestalten braucht schon seine Zeit. Ich bin da aber selbst ungeduldig.
STANDARD: Dem Vernehmen nach hat das Finanzministerium gebremst und darauf geachtet, dass die Rettungsmittel kein Selbstbedienungsladen werden.
Kogler: Das würde ich so nicht sagen. Natürlich gab es gewisse Auffassungsunterschiede zwischen den einzelnen Ministerien darüber, wie die Hilfskonstrukte optimal aufgestellt werden.
STANDARD: Wie sehen die Maßnahmen konkret aus?
Kogler: Das ist jetzt einmal der erste Schwung, dann werden wir uns anschauen, wie das ankommt und wirkt. Da kommen sicher noch Bausteine hinzu. Beim größeren Nothilfefonds geht es darum, dass die unmittelbar vom Betretungsverbot betroffenen Branchen – vom Textilhandel bis zu den Veranstaltern – rasch Liquiditätshilfe und einen Zuschuss erhalten. Dazu kann man schnell einen Kredit in der Höhe von drei Monatsumsätzen bekommen. Nach einem Jahr wird zurückgeschaut. Der Schaden wird dann in einen nicht rückzahlbaren Zuschuss umgewandelt, der Rest muss mit minimalen Zinsen innerhalb von fünf Jahren zurückgezahlt werden.
STANDARD: Heißt das, dass beispielsweise ein Caterer, der nicht geschlossen wurde, aber kein Essen mehr an die AUA verkaufen kann, hier keine Kompensation erhält?
Kogler: Da gibt es vorerst einmal andere Instrumente – von Kurzarbeit über Stundungen bis zu Garantien. Für diese indirekt Betroffenen wird noch an einem Paket gearbeitet.
STANDARD: Wie sieht es beim Härtefonds aus?
Kogler: Die Beantragung der Soforthilfe soll ab Freitag möglich sein. Der Härtefallfonds richtet sich an Einpersonenunternehmen, neue Selbstständige bis hin zu Kleinstbetrieben. Ihnen soll quasi ein Unternehmerlohn gesichert werden, weil viele einfach nicht ohne Einkommen monatelang das Auskommen finden. Da gibt es eine nicht rückzahlbare Sofortzahlung von 1.000 Euro. In den folgenden Wochen gibt es bis zu 2.000 Euro, insgesamt drei Mal. Wir gehen ja von drei Monaten aus. Das ist ähnlich wie in Deutschland.
STANDARD: Es gab Kritik daran, dass die Wirtschaftskammer die Hilfen aus dem Härtefonds abwickelt. Wie sehen Sie das?
Kogler: Es ist gut, dass die Hilfsmaßnahmen auch entsprechend getrommelt werden. Es ist wichtig zu ergänzen, dass nicht nur Mitglieder der Wirtschaftskammer die Unterstützung in Anspruch nehmen können. Die Wirtschaftskammer fungiert hier als Auftragnehmer des Bundes, der das Programm nach den vorgegebenen Kriterien abzuwickeln hat. Das Argument, die Wirtschaftskammer damit zu beauftragen, war, dass Austria Wirtschaftsservice und Finanzämter mit ihren Hilfsinstrumenten schon ausgelastet sind. Wichtig ist, dass die Hilfen großzügig umgesetzt werden, um den Einschlag der Coronaviruskrise auf die Wirtschaft und Beschäftigung zu begrenzen.
STANDARD: Ein Teil der Hilfen erfolgt über Kreditgarantien von 80 Prozent der benötigten Summe: Hier melden viele Unternehmen zurück, dass Banken nicht bereit sind, die restlichen 20 Prozent Risiko zu tragen.
Kogler: Das Problem ist bekannt. Allerdings lockern die Aufsichten die Kriterien für die Banken. Der Finanzminister ist in ständigen Verhandlungen mit den Banken, damit diese die Liquiditätsprobleme nicht zusätzlich verschärfen. So müssen sie auch ihren Beitrag leisten.
STANDARD: Es ist auch von anderen bürokratischen Auflagen die Rede. Banken verlangen nicht nur Sicherheiten, sondern auch Jahresabschlüsse oder Saldenlisten, die noch nicht fertig sind.
Kogler: Natürlich braucht man das eine oder andere Dokument, aber die Liquidität sollte jetzt möglichst unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden. Bei den Soforthilfen im Härtefall muss man nur ein Formular durchklicken. Bürokratische Hürden wären in der angespannten aktuellen Lage kontraproduktiv.
STANDARD: Kritisch gesehen wird derzeit auch, dass Konzerne Hilfen beantragen und gleichzeitig hohe Dividenden ausschütten wollen. Ist das aus Ihrer Sicht ein Problem?
Kogler: Das ist ein Punkt, der behandelt gehört. Die Frage ist, ob mit Dividenden kalkuliert wurde, die eine wirtschaftliche Notwendigkeit haben könnten. Ich meine damit eine Muttergesellschaft, die die Ausschüttungen der Töchter für ihre Liquidität benötigt. Wenn es aber um die Dividende an private Eigentümer in zeitlicher Nähe zu Staatshilfen geht, halte ich das für problematisch.
STANDARD: Konkret: Sind Sie für eine Untersagung von Staatshilfen, wenn Dividenden ausgeschüttet werden?
Kogler: Ich bin zumindest für eine sinnvolle Einschränkung.
STANDARD: Die Wirtschaftsforscher rechnen nur mit einer kurzen Rezession, wenn die ökonomischen Beschränkungen vorübergehend sein sollten. Dauern sie über April hinweg an, wird mit einer massiven Verschlechterung der Lage gerechnet. Ist das nicht ein wichtiges Argument dafür, im Mai eine Normalisierung einzuleiten?
Kogler: Das verstehe ich, allerdings hängt das schon von epidemiologischen Entwicklungen ab. Wenn man zu früh aufmacht, können auch die Infektionen wieder explodieren. Dann hätten wir davon auch ökonomisch nichts.
STANDARD: Es gibt aber schon Beispiele aus Asien, wo eine Mischung aus mehr Tests, Abschottung von Risikogruppen und besserer Desinfektion die Ausbreitung des Virus eingedämmt hat, und zwar ohne die De-facto-Schließung der Wirtschaft.
Kogler: Das ist alles eine Frage des Gesundheitsmanagements. Im Vordergrund steht, dass die Kurven nicht exponentiell steigen. Eine rasche Verlängerung des Verdoppelungszeitraumes auf über zehn Tage wäre aus jetziger Sicht schon ein erster Erfolg. Das bedeutet naturgemäß aber immer noch eine große Zunahme von Neuinfektionen und in der Folge von Krankheitsfällen. Von diesen Entwicklungen leiten sich die Maßnahmen der Bundesregierung ab, weil wir unbedingt einen Kollaps in der Intensivmedizin wie in Italien oder Spanien verhindern wollen. (Andreas Schnauder, 27.3.2020)