Nicht alle Klienten von Gerhard Rechberger, ärztlicher Leiter der Suchthilfeambulanz des Vereins Dialog, verfügen über eine technische Infrastruktur und können virtuell in die Ambulanz kommen.

Foto: Robert Newald

Mit neun Ärztinnen und Ärzten plus 15 Mitarbeitenden in psychosozialer Arbeit behandelt und betreut Gerhard Rechberger als ärztlicher Leiter der Suchthilfeambulanz des Vereins Dialog in Wien-Favoriten 350 sogenannte "Substituierte" und zusätzlich 300 Klienten mit Suchtproblematik – eine Corona-Risikogruppe aufgrund multipler, meist chronischer Erkrankungen.

Die Herausforderung, sagt er, sei natürlich die eingeschränkte Präsenzmöglichkeit. Nicht alle seiner Klienten verfügen über eine tolle technische Infrastruktur und können daher nicht locker virtuell in die Ambulanz kommen, auch wenn ihre Rezepte für Substitute wie Methadon oder Morphium mittlerweile elektronisch in der Apotheke landen, wo diese dann vor Ort eingenommen werden.

Immer schon agil

Rechberger sagt, er könne das allerdings recht gut organisieren: zwei Meter Abstand in der Klinik, maximaler Kontakt 15 Minuten. Auch neu einzustellende Klienten können in die Ambulanz kommen, sie werden vorher auf Infektionen getestet.

Über Hygiene wissen diese Fachleute sowieso Bescheid. Und sie arbeiten beim Dialog, weil sie ein Anliegen haben. Über Agilität und Krisenresistenz muss man dort nichts erzählen. "Ich erlebe ein unglaubliches Engagement, gerade jetzt." Wohl ist aber Kontinuität eines der heißen Themen: Opiat-Substitution baut auf Regelmäßigkeit auf, nur dann klappt psychische und somatische Verbesserung. Dann können viele auch eine Lebensnormalität inklusive Erwerbsarbeit schaffen. Schon nach einem Tag ohne Therapie und Einnahme stellen sich allerdings massive körperliche Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen sowie psychische Instabilität ein, so Rechberger. "Dran bleiben" bedeute jetzt noch viel mehr.

Eine Verknappung der Medikationen ist kein Thema, die Stoffe werden in Europa, auch in Österreich hergestellt.

Rechberger selbst ist seit 30 Jahren ärztlich im Suchtbereich tätig. Er habe gesehen, dass umfassende Betreuung wirklich Leben retten und zum Positiven verändern kann, das motiviere ihn. Und er hat auch eine aufklärerische Mission: "In den Köpfen vieler, auch teilweise in jenen von Ärzten, sind Suchtkranke minderwertig, jene, die etwas Unmoralisches, Illegales tun." Tatsächlich sind es Kranke, die Behandlung brauchen, sagt er, "keine Delinquenten". Illegalität, etwa in der Beschaffung, sei die Folge der Sucht, eben da könne umfassende Betreuung der verschiedenen Disziplinen der Gesundheits- und Sozialberufe ansetzen. (Karin Bauer, 30.3.2020)