Sieht auf den ersten Blick nach einer Vogeltränke aus, ist aber eine Szene aus der späten Kreidezeit. An den langen Schwänzen sind die Tiere schon von weitem als Raptoren zu erkennen – im konkreten Fall handelt es sich um den neuentdeckten Dineobellator notohesperus.
Illustration: Sergey Krasovskiy

Als "Jurassic Park" 1993 in die Kinos kam, galt es als Meilenstein in Sachen CGI-Technik und damit als zukunftsweisend. Im Rückblick betrachtet markiert es aber auch das Ende einer Ära – nämlich der, in der man sich sämtliche Dinosaurier noch als graugrüne Reptiloide mit glatter Echsenhaut vorstellte. Federn hielt man damals noch für ein Alleinstellungsmerkmal der Vögel.

Aus diesem Schema hat das Film-Franchise bis heute nicht herausgefunden. Als 2015 nach 14-jähriger Pause mit "Jurassic World" wieder ein neues Sequel herauskam, twitterten die Macher vorab "No feathers!", um die Fans rechtzeitig auf die Retro-Optik einzustimmen. Dem paläontologischen Forschungsstand entsprach das schon lange nicht mehr: Immer mehr Dino-Fossilien mit klaren Anzeichen für ein Federkleid waren seit den 1990er Jahren gefunden worden. Insbesondere galt dies für die berühmt-berüchtigten "Raptoren".

Einer der letzten Raptoren

Dromaeosauridae wäre der korrekte Ausdruck – auch wenn sich das Wort "Raptoren" durch die Filmreihe längst durchgesetzt hat, wie Forscher der University of Pennsylvania einräumen. Sie haben den jüngsten Angehörigen dieser Gruppe im Fachjournal "Scientific Reports" vorgestellt. Er lebte vor 67 Millionen Jahren im Südwesten der heutigen USA, also nur etwa eine Million Jahre vor dem Einschlag des Asteroiden, der das Erdmittelalter beendet hat. Es handelt sich damit um einen der letzten bekannten Raptoren überhaupt.

Entdeckt wurde das Fossil 2008 durch pures Glück an der Flanke eines Hügels im US-Bundesstaat New Mexico, die Freilegung erstreckte sich schließlich über vier Grabungskampagnen. Entsprechend dem paläontologischen Trend, Funde nach der indigenen Bevölkerung der jeweiligen Region zu benennen, erhielt der Dino die Bezeichnung Dineobellator notohesperus. Was laut dem Team um Studienleiter Steven Jasinski in etwa "Navajo-Krieger aus dem Südwesten" bedeuten soll, auch wenn die Latinisierung dabei an ihre Grenzen stößt.

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So kennen wir die Raptoren aus den "Jurassic Park"-Filmen. Das anfängliche "Veloci-" ließ man später sukzessive unter den Tisch fallen, weil es mit dem realen kreidezeitlichen Winzling nicht zu vereinbaren war.
Foto: REUTERS/Danny Moloshok

Das Tier aus New Mexico ähnelte stark seinem berühmt-berüchtigten asiatischen Cousin, dem Velociraptor. Dineobellator war mit einer Hüfthöhe von etwa einem Meter aber um einiges größer – wenn auch immer noch deutlich kleiner als die reißenden Bestien der Filmreihe. Und anders als diese trug er auch ein Federkleid. Wie schon zuvor beim in Wahrheit nur truthahngroßen echten Velociraptor, so wurden nun auch am Fossil von Dineobellator Ansätze für Federkiele an den Armknochen entdeckt. Jasinski hält es für wahrscheinlich, dass alle Dromaeosauridae gefiedert waren.

Wo Fakten und Fiktion weitgehend übereinstimmen, das ist die Lebensweise der Raptoren. Auch Dineobellator war ein Räuber: Mit seinen sehr beweglichen Händen hätte er kleine Beutetiere packen können – größeren hätte er mit den Klauen und den raptorentypischen Zehenkrallen schwere Wunden zufügen können. Begegnet wäre man den Tieren also lieber nicht, geringere Größe hin oder her.

Agil wie eine Katze

Zumal Dineobellator laut Jasinski auch ein ungewöhnlich gewandter Jäger gewesen sein dürfte. Sein Schwanz war an der Basis nämlich sehr beweglich, blieb auf dem Rest der Länge aber so starr ausgestreckt, wie man es schon bei mehreren seiner Verwandten festgestellt hat. Das hätte in der Praxis bedeutet, dass Dineobellator seinen Schwanz wie ein Steuerruder herumschwenken und damit bei der Hetzjagd auf offenem Gelände besonders gut manövrieren konnte. Jasinski vergleicht die Agilität des kreidezeitlichen Jägers mit der einer Katze. (jdo, 11. 4. 2020)