Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

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Eine Infektiologin steht in voller Schutzausrüstung vor der Uniklinik Dresden. In Österreich wird dringend benötigte Schutzausrüstung für Mediziner vor allem im niedergelassenen Bereich knapp.

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Wien – Medizinisches Personal in Spitälern und Pflegeeinrichtungen, das an und über seine Grenzen gehen muss. Niedergelassene Ärzte, die in ihren Praxen gefordert werden. Angespannte Führungskräfte in politischen und medizinischen Krisenstäben. Das Coronavirus bringt eine für viele nie gekannte oder überhaupt auch nur ausgemalte Ausnahmesituation. Dabei wird der Stresslevel für die kritische medizinische Infrastruktur in Österreich noch gehörig ansteigen: Der Höhepunkt der Pandemie hierzulande wird laut Experten erst in einigen Wochen erreicht.

In dieser Situation ist es nicht gerade hilfreich, wenn sich wesentliche Player öffentlich in die Haare kriegen, statt – soweit möglich besonnen – im Krisenmodus zu funktionieren. Der Ärger bei Wiener Ärzten über einige Aussagen von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) schwillt jedenfalls beträchtlich an. Hacker hatte nämlich dem "Falter" gesagt: "Es ist bemerkenswert, wie sehr sich manche Ärzte ängstigen." Es ging unter anderem um die Frage, ob die Stadt genügend Masken und Schutzanzüge für Ärzte sicherstellen könne. Die Reaktion einiger Ärzte in der Corona-Krise bezeichnete Hacker als "hysterisch".

Hilferuf der Ärztekammer

Dem vorangegangen war ein Hilferuf von Thomas Szekeres, dem Präsidenten der Österreichischen und Wiener Ärztekammer. Dieser hatte gewarnt, dass Masken und Schutzausrüstung in Spitälern und für niedergelassene Ärzte knapp würden – und das vor dem erwarteten ersten Peak.

Dem STANDARD sagte Szekeres: "Ich hoffe, dass Herr Hacker recht hat und ich hysterisch bin." Das ließe sich freilich erst in einigen Monaten bewerten. Mit seinem Aufruf wollte er die politisch Verantwortlichen sensibilisieren, dass ohne ausreichende Schutzausrüstung nicht nur Ärzte infiziert werden können, sondern Ärzte auch Patienten anstecken. Und das oft, ohne es zu wissen, weil sie sich nicht krank fühlen.

Die Folge wäre, dass ganze Spitalsabteilungen oder Ordinationen schließen, immer mehr medizinisches Personal müsste in Quarantäne. "Und das würde alle bisherigen Bemühungen konterkarieren", so Szekeres. Harald Mayer, Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte der Ärztekammer, kanzelte Hackers Aussagen sowie Kritik, die von Patientenanwälten geäußert wurde, gar als "unqualifizierte Angriffe" ab. "Das Gesundheitspersonal gehört unterstützt, nicht zu Unrecht kritisiert."

Ein Allgemeinmediziner mit Praxis in Wien, der namentlich nicht genannt werden möchte, bringt das Problem auf den Punkt: "Ich stehe mit mehreren hundert Kollegen in Kontakt. Es hat einfach fast keiner mehr eine Schutzausrüstung. Wir können nichts mehr käuflich erwerben, und dabei probieren wir es seit Wochen." Konkret habe er noch fünf Masken vorrätig – mit einer empfohlenen Tragedauer von vier Stunden. "Natürlich trage ich die Masken wesentlich länger – wie alle Ärzte, die ich kenne." Als improvisierte OP-Haube dient eine Papierrolle. Es ist jenes Papier, das sich sonst als Unterlage auf der Ärzteliege befindet. Kundenkontakt gibt es nur nach telefonischer Anmeldung – und wenn sich dieser nicht vermeiden lässt.

Warten auf Lieferungen

Laut dem Mediziner hat die Ärztekammer eine Lieferung Schutzausrüstung auch für den niedergelassenen Bereich angekündigt. Welches Kontingent er davon bekommt, weiß er nicht. Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sollten jedenfalls elf Millionen Handschuhe am Freitag in Österreich eintreffen, gefolgt von einer Großlieferung Masken am Samstag sowie Schutzanzügen am Montag.

Aus dem Büro von Stadtrat Hacker heißt es zudem, dass abseits des Bundes eine Wiener Bestellung, die hunderttausende Masken und Hauben betrifft, seit Tagen in der Türkei festsitzt. Im Krankenanstaltenverbund gebe es noch genug Lagerbestände. Künftig werde auch die Versorgung der Wiener Ärzte im niedergelassenen Bereich mit Schutzausrüstung in die Besorgungslinie der Stadt mit aufgenommen.

In Wien waren mit Stand Freitagnachmittag knapp mehr als 1.000 mit dem Coronavirus infizierte Personen registriert. 129 Erkrankte werden in Spitälern versorgt, 14 Infizierte sind auf Intensivstationen. (David Krutzler, 27.3.2020)