In Bosnien-Herzegowina fehlt es überall an Covid-19-Tests, Schutzausrüstungen, Masken – und vor allem Beatmungsgeräten. Weil Nicht-EU-Staaten seit Beginn der Corona-Krise Sondergenehmigungen brauchen, um medizinisches Gerät aus der EU zu importieren, ist es de facto zu einem Lieferstopp gekommen. Bisher wurde medizinisches Gerät vor allem aus Deutschland und Österreich geliefert – dies ist nun nicht mehr möglich, was zu Engpässen in der Versorgung in Krankenhäusern führte.

Vor dem staatlichen Krankenhaus in Sarajevo, der Hauptstadt Bosniens.
Foto: EPA/FEHIM DEMIR

Gleichzeitig nimmt die Zahl an Infektionen exponentiell zu. In den vergangenen Tagen sind zwei Personen verstorben – eine in Ilidža und eine in Konjic –, die tagelang um Tests gebeten hatten, aber nicht getestet wurden. Am Freitag sind nun endlich 1.000 Tests in dem südosteuropäischen Staat angelangt – die meisten werden aus Südkorea und China geliefert, weil auf dem europäischen Markt kaum mehr Tests verfügbar sind und diese eben innerhalb der EU verbleiben.

Preise für Beatmungsgeräte

Ein weiteres Problem für sehr arme Staaten wie Bosnien-Herzegowina, Serbien, den Kosovo, Albanien oder Nordmazedonien ist, dass medizinische Geräte auf dem Weltmarkt derzeit den vier- bis fünffachen Preis haben. Die EU-Delegation in Bosnien-Herzegowina konnte mittlerweile durch das Engagement des EU-Sonderbeauftragten Johann Sattler erreichen, dass über das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) 80 Beatmungsgeräte zu vernünftigen Preisen nach Bosnien-Herzegowina geliefert werden, die aus EU-Geldern bezahlt werden. 15 werden kommende Woche erwartet.

"Die EU hat in den letzten Wochen gezeigt, dass es nach anfänglichen nationalen Alleingängen viel Solidarität und Zusammenhalt zwischen den Mitgliedsländern gibt. Wichtig ist nun, nicht auf unsere unmittelbare Nachbarschaft zu vergessen, nämlich die EU-Beitrittskandidaten am westlichen Balkan", so Sattler zum STANDARD. "In Bosnien-Herzegowina etwa fehlt es an elementarer Ausrüstung für die Krankenhäuser, von Einmalbettwäsche bis hin zu Geschirr und Essbesteck, ganz zu schweigen von Schutzmasken, Corona-Tests und besonders Respiratoren, von denen es im ganzen Land nur 190 gibt – bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 3,5 Millionen Menschen", fügt er hinzu und bittet um Hilfe. "Wenn hier Österreich als historischer Freund und enger politischer Partner des Landes Flagge zeigen könnte, wäre das großartig", so Sattler.

Zwei Transporter der Eufor

Eine Liste an dringend notwendiger Ausrüstung – etwa Masken und Schutzanzüge – ging an alle EU-Botschaften in Sarajevo. Einige österreichische Unternehmen haben sich bereits gemeldet und Geld gespendet. Auch das österreichische Außenministerium und das österreichische Innenministerium engagieren sich in der Sache. Über normale Bestellketten in der EU kommt allerdings nichts mehr durch nach Bosnien-Herzegowina. Deshalb kommen die im Lande stationierten Eufor-Truppen nun zu Hilfe. Am 3. und am 15. April fliegen zwei Transporter nach Sarejevo.

Besonders betroffen von den Infektionen ist der Landesteil Republika Srpska – hier gibt es auch kaum Beatmungsgeräte, schätzungsweise nur 20. Nun wird deshalb versucht, aus dem zweiten Landesteil, der Föderation, zu helfen, indem Masken weitergegeben werden. Gleichzeitig nutzen allerdings Nationalisten den derzeitigen Ausnahmezustand, um Zwist, Misstrauen und Streit zwischen den Volksgruppen zu schüren. Dies geschieht absichtlich und mithilfe von Fake-News, die auch von Politikern verbreitet werden.

Hetzen gegen den anderen Landesteil

So beschuldigte etwa der extreme völkische Nationalist Milorad Dodik, Chef der Partei SNSD, den Landesteil Föderation, den Ausbruch der Infektionen "verschlafen" zu haben. "Die Föderation wird ein potenzieller Ort der Ausbreitung der Epidemie für uns sein", hetzte er. "Als wir mit der Einführung von Maßnahmen begannen, haben sie diese verschlafen. Als wir Schulen schlossen, waren sie noch in Schulen, als wir Cafés schlossen, waren sie noch in Cafés", sagte er und meinte mit "wir" den Landesteil Republika Srpska, obwohl er als eines der Mitglieder des Staatspräsidiums gar nicht für die Republika Srpska, sondern für den Gesamtstaat zuständig ist.

Dodik versucht seit Jahren diesen Gesamtstaat zu zerstören und stachelt Tag für Tag die Nationalisten auf. Der Politiker erwähnte zudem nicht, dass in der Republika Srpska mehr Menschen infiziert sind als in der Föderation. Überall in Bosnien-Herzegowina sind die Menschen besorgt, dass nun eine Zweiklassenmedizin eingeführt wird, in der nur Menschen, die Beziehungen haben oder Mitglied irgendeiner Partei sind, getestet und behandelt werden. Die Korruption im Gesundheitsbereich ist in Bosnien-Herzegowina insgesamt sehr groß. Deshalb wird die EU nun die Hilfslieferungen mit strengen Rechnungsprüfungen verbinden.

Ungerechtfertigte Ausgangssperren

Für Unverständnis und Kritik in der Bevölkerung sorgen indes die strengen Ausgangssperren. Niemand darf mehr nach 18 Uhr auf die Straße und in die Öffentlichkeit. Und Menschen, die unter 18 Jahre alt sind, sowie Menschen, die über 65 Jahre alt sind, dürfen überhaupt nicht mehr nach draußen. Das sorgt für Sozialstress in vielen Familien und ist zudem durch keinerlei wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Prävention von Epidemien gedeckt – und daher gar nicht gerechtfertigt. Viele sprechen bereits von einem "Polizeistaat", der sich nun durchsetze.

Die extremen Ausgangssperren führen auch zu schwierigen Situationen, insbesondere für ältere Menschen. Denn die meisten Pensionisten holen ihre Renten am Anfang des Monats in den Banken ab. Weil sie dies nun nicht mehr können, haben sie kein Geld, und es besteht die Sorge, dass sie nicht mehr ausreichend versorgt werden können. (Adelheid Wölfl, 27.3.2020)