Wenn die Covid-19-Fälle weiter so zunehmen, kollabiert hier in wenigen Tagen alles", warnt Carlos Morante. Er ist Arzt in der Notaufnahme im Hospital del Henares in Coslada, einem Vorort von Madrid. In Spanien wurden am Samstag 72.248 bestätigte Covid-19-Fälle gezählt. Insgesamt waren 5.690 Tote zu beklagen, 832 in den vergangenen 24 Stunden.

"Normalerweise haben wir hier um die 110 Notfälle am Tag. Jetzt sind es über 180", berichtet Morante. Alle kämen mit Fieber, mit Atembeschwerden. Die Notaufnahme ist voll, die Intensivstationen ebenso, und mittlerweile sind selbst Wiederbelebungsplätze für die Intensivversorgung umgerüstet. Für normale Notfälle, wie etwa einen Herzinfarkt, sei in seinem Krankenhaus noch genau ein Bett reserviert.

"Es fehlt an allen Ecken und Enden", beschwert sich Morante und kritisiert die Konservativen, die seit den 1990er-Jahren ununterbrochen in Madrid regieren. "Die reichste Region Spaniens ist Vorletzter in Sachen Gesundheitsbudget", schimpft der Arzt. Die Regierung unter der Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso gibt nur ganz wenig mehr pro Einwohner aus als Andalusien – der arme Süden Spaniens.

"Da ist dieser ständige Stress, diese Angst, dir den Virus einzufangen und dann zu Hause die Deinen anzustecken", sagt Morante. Die Angst ist nicht unbegründet: Jeder zehnte Infizierte ist mittlerweile Arzt oder Pfleger.

Zu wenige Masken

Am Anfang der Krise wechselten sie noch zweimal am Tag die Masken, jetzt nur noch jeden Tag. Volle Ausrüstung, mit Schutzanzug, Gesichtsschutz und chirurgischer Maske, gibt es nur dort, wo die Patienten bereits eingeliefert sind. "Es ist absurd, aber du untersuchst jemanden mit hohem Fieber, Husten, Atembeschwerden bei der Aufnahme mit ein paar Handschuhen und einer leichten Maske. Einmal aufgenommen behandelst du ihn dann kurz danach im Vollschutz", erklärt Morante. Nicht nur die Vorräte an Schutzmaterial gingen aus, es fehlten Beatmungsgeräte und Betten.

Spanische Soldaten errichten ein Notspital.
Foto: EPA/PABLO MARTIN

Insgesamt hat das Gesundheitssystem in Madrid durch die Sparpolitik infolge der Eurokrise seit 2008 rund 4000 Stellen aller Art verloren. Die Zahl der Betten ging um rund 3000 zurück, während die Einwohner der Region um 500.000 zunahmen. Heute gibt es nur noch 9,5 Betten in Intensivstationen pro 100.000 Einwohner. In Österreich sind es 28,9. "Das Problem begann lange vor der Eurokrise", ist sich Javier Padilla, Hausarzt in einem Gesundheitszentrum in Fuencarral im Norden Madrids, sicher. "In den letzten 20 Jahren gibt die konservative Regierung immer weniger für das öffentliche System aus und privatisiert, wo es nur geht", erklärt der Experte in Gesundheitspolitik, der vergangenen Herbst ein Buch über die Gesundheitspolitik mit dem Titel "Wen werden wir sterben lassen?" veröffentlichte.

Höhere Kosten

Den 33 öffentlichen Krankenhäuser stehen heute 50 private Kliniken gegenüber. Sieben davon haben jetzt, mitten in der Corona-Krise, "für unbestimmte Zeit" geschlossen und einen Großteil der Belegschaft entlassen. Es fehle an Patienten, die nichts mit dem Virus zu tun hätten, lautet die Begründung.

Die meisten Laboratorien sowie viele Spezialbehandlungen sind ebenfalls privat. Der Kassenprüfungshof beschwerte sich in seinem letzten Bericht, dass dies bis zu sechsmal so viel koste wie vor der Privatisierung. Was für den Steuerzahler teuer kommt, macht sich für den konservativen Partido Popular (PP) von Díaz Ayuso bezahlt. Die Partei hielt jahrelang bei Lizenz- und Vertragsvergaben die Hand auf. Laut ermittelnden Richtern flossen so bis zu fünf Millionen Euro aus dem Gesundheitshaushalt in die Parteikasse. (Reiner Wandler aus Madrid, 28.3.2020)