Manches lässt sich auch nur deshalb verfilmen, weil es tatsächlich passiert ist. Es gibt Stoffe, die das Publikum und die Kritik ansonsten als völlig unrealistisch, an den Haaren herbeigezogen abtun würden. In absehbarer Zeit werden wahrscheinlich zig Corona-Filme produziert, mag sein, man kann sie sich nur noch zu Hause ansehen, vielleicht erlebt auch das Autokino eine Renaissance.

KinoCheck

Als I, Tonya 2017 in die Kinos kam, waren das noch echte Kinos, in denen die Zuseher, wie man früher einmal sagte, dicht an dicht gesessen sind. Heute kann man sich I, Tonya recht bequem daheim via Netflix geben.

Die echte Tonya Harding und ihre olympische Enttäuschung.
Foto: imago/Thomas Zimmermann

Das Eisenstangen-Attentat, ohne das es den Film nie gegeben hätte, ist auch so eine Story, die niemand glauben würde, wär sie nicht passiert. Am 6. Jänner 1994 wurde die Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan nach dem Training für die US-Meisterschaften in Detroit von einem Mann mit einer Eisenstange attackiert und am Knie verletzt. Die Bilder der verletzten Kerrigan, die immer wieder "Why?" schrie, gingen um die Welt.

Bald darauf konnte der Attentäter, eine seltene Dumpfbacke, festgenommen werden, und flott stellte sich heraus, dass er vom Ehemann der größten Kerrigan-Rivalin Tonya Harding beauftragt worden war. Harding wurde der Meistertitel aberkannt, an den Olympischen Spielen im Februar in Lillehammer durfte sie aber teilnehmen, da sie selbst jegliche Verwicklung abstritt. Erst später sollte sie zugeben, dass sie von den Plänen zumindest gewusst hatte. Sie wurde zu bedingter Haft, zu 500 Stunden gemeinnütziger Arbeit und einer Geldstrafe von 160.000 Dollar verurteilt.

Auch Trixi Schubas Story mit Schranz wäre filmreif.
Foto: APA/Hochmuth

Auch Kerrigan lief in Lillehammer, die Konkurrenz wurde zu einem Rekordquotenfressen für die US-TV-Stationen. Die Schöne und das Biest oder auch Schneewittchen und die Eishexe, so wurde die Show getitelt.

Showdown in Lillehammer

Hier Kerrigan, das hübsche, zarte Eislauftöchterlein aus gutem Haus. Dort die athletische Harding mit ihrem proletarischen Background, ihren, wie Kritiker oft monierten, geschmacklosen Kostümen und einem gewalttätigen Ehemann. Das Resultat geriet zur Nebensache. Harding wurde Achte, Kerrigan landete hauchdünn hinter der Ukrainerin Oksana Bajul auf Rang zwei, konnte sich darüber kaum freuen.

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Jetzt wird es eng für Jeff Gillooly, gespielt von Sebastian Stan, und Tonya Harding, gespielt von Margot Robbie. Der Sheriff ist gekommen, um sie zum Attentat auf Nancy Kerrigan zu befragen.
Foto: AP/Neon

Die Geschichte Hardings, das war den Produzenten klar, ist die ungewöhnlichere, weitaus interessantere. Harding schaffte es an die Spitze, weil ihre Sprungkraft einzigartig und ihre Mutter gnadenlos ehrgeizig war, sodass sie Dreifachsprünge, auch den Axel, nur so aus dem Ärmel oder aus den Beinen schüttelte. Für die Rolle der Mutter erhielt Allison Janney 2018 den Oscar als beste Nebendarstellerin, Margot Robbie war als beste Hauptdarstellerin nominiert, dabei blieb es.

Und so lief Trixi Schuba 1972 zu Gold in Sapporo.
floskate

Trixi Schuba, die 1972 Olympiasiegerin und später einige Jahre lang Österreichs Verbandspräsidentin war, erinnert sich gut an die Aufregung vor und in Lillehammer. "Eine unglaubliche Story." In Österreich hatte Schuba zu ihrer Zeit ein "Dreimäderlhaus" angeführt, das Elisabeth Nestler und Elisabeth Mikula komplettierten. "Es gab kaum Eifersüchteleien, wir hatten wenig Kontakt."

International, auch bei den Winterspielen in Sapporo, gab Schuba der Kanadierin Karen Magnussen und der US-Amerikanerin Janet Lynn das Nachsehen. Auf Betreiben Lynns wurde Schuba, die frühere Königin des Pflichtlaufens, 2015 zu einer erstmals organisierten Pflicht-WM nach Lake Placid eingeladen. Nach mehr als vierzig Jahren gab es da ein Wiedersehen. "Wir haben viel miteinander gelacht."

Hier Schuba, dort Schranz

Schubas Verhältnis zu Karl Schranz allerdings war eine halbe Ewigkeit lang, um es freundlich zu sagen, ambivalent. Das rührte daher, dass der Tiroler Skifahrer wegen eines angeblichen Verstoßes gegen den Amateurparagrafen von den Spielen in Sapporo ausgeschlossen wurde. Beinahe hätte Österreich aus Protest die Spiele boykottiert, dann hätte auch Schuba vorzeitig heimreisen müssen. "Das hätte ich nicht verstanden." Am 7. Februar lief sie zu Gold, am 8. Februar wurde Schranz von Bundeskanzler Bruno Kreisky empfangen und von 100.000 Wienern auf dem Ballhausplatz bejubelt. Für die Wienerin Schuba gab’s in Wien keinen Empfang, Linz musste einspringen. Auch deshalb herrschte zwischen Schranz und Schuba eine, wie sie sagt, "Eiseskälte".

Man wäre sich nie und nimmer mit Eisenstangen begegnet, doch man mied den Kontakt. Erst vor wenigen Jahren ging Schuba bei einer ORF-Weihnachtsfeier auf Schranz zu und lud ihn zur Präsentation ihrer Biografie ein. Als diese, Die Kür meines Lebens, dann im Wiener Rathaus präsentiert wurde, war Schranz tatsächlich angereist. "Und seither reden wir", sagt Schuba.

Die vergoldete Schuba und der ausgeschlossene Schranz, auch den Stoff könnte man verfilmen. Doch jetzt sind wir ein wenig abgeschweift. Zurück auf die Couch, zurück zu I, Tonya, übrigens 120 Minuten lang. Zusammenfassung: durchaus eine Empfehlung. Bei Harding und Kerrigan geht Trixi Schuba davon aus, "dass die beiden Damen eher nicht mehr ins Gespräch kommen werden". Und falls doch, müsste man einen Film daraus machen. (Fritz Neumann, 30.3.2020)