Obwohl Lebensmittelgeschäfte als weiterhin geöffnete Betriebe eine der wenigen Ausnahmen darstellen, blieb die derzeitige Covid-19-Krise auch für diesen Bereich des täglichen Lebens nicht ohne Konsequenzen. Lange Schlangen, Mindestabstände und Maximalbesucheranzahlen in Supermärkten sind seit Mitte März in Europa keine Seltenheit mehr. Das in diesem Zusammenhang öffentlich vielleicht meistdiskutierte Phänomen ging jedoch von den Einkäufern, nicht den Händlern selbst aus. Mittels sogenannter Hamsterkäufe versuchten Kunden, sich gezielt mit großen Vorräten an bestimmten Produkten einzudecken.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht lösen solche Hamsterkäufe Ineffizienzen aus und wirken wohlfahrtsreduzierend. Bei Produkten wie etwa Gemüse und Obst, die nach kurzer Zeit nicht mehr genießbar sind, ist die Intuition dafür leicht nachvollziehbar: Wenn ein Haushalt sich mit einem für ihn übermäßigen Vorrat dieser Produkte eindeckt, verderben die Waren und müssen entsorgt werden (sofern die Tiefkühltruhe keine Option ist) – obwohl ein anderer Haushalt, der aufgrund der Hamsterkäufe kein Gemüse oder Obst mehr im Supermarkt vorfindet, Bedarf an genau diesen Produkten gehabt hätte. Bei nicht verderblicher Ware, etwa im Fall des momentan heißbegehrten Klopapiers, rührt die Ineffizienz daher, dass die vielen Rollen bei einem Hamsterkäufer sozusagen brachliegen, während ein anderer Kunde mit akutem Bedarf sich vor leeren Regalen wiederfindet.

Glücklicherweise sind Hamsterkäufe zumindest in Österreich in den letzten Tagen stark zurückgegangen. Dennoch bleibt es rück- und vorausblickend für den derzeitigen Alltag der Europäer eine relevante Frage, wie Hamsterkäufe – und damit auch die genannten Ineffizienzen – entstehen und möglichst reduziert werden können.

Hamsterkäufe als rationale Strategie

Supermärkte weisen in normalen Zeiten keine Angebotsein- oder -beschränkungen (im Englischen sogenannte supply constraints) auf. Mit anderen Worten: Es gibt grundsätzlich keine fixen Grenzen für die Ausgabe von begehrten Gütern in Supermärkten, weil diese quasi unlimitiert nachgeliefert werden können. Somit gibt es auch normalerweise keinen systematischen Run auf Produkte wie Klopapier.

Warum die Corona-Krise allerdings zu Beginn dennoch zu Runs in der Form von Hamsterkäufen führte, hat wohl mit einem oder mehreren der folgenden Gründe zu tun, die zusammen zur Entstehung eines plötzlich wahrgenommen supply constraint beitrugen: Kunden hatten entweder Angst, Supermärkte würden wie die meisten anderen Geschäfte in naher Zukunft auch von der Regierung geschlossen werden beziehungsweise nur mehr stark verkürzte Öffnungszeiten aufweisen; und/oder man befürchtete, dass bestimmte Waren aufgrund von unterbrochenen Liefer- und Produktionsketten nicht mehr nachgeliefert werden können; und/oder man wollte sich aufgrund des hohen Ansteckungsrisikos während der Pandemie nur sehr wenige Male in Supermärkte begeben müssen. Zudem wurden die Runs wohl dadurch verstärkt, dass Kunden ständig gegenseitig ihr Verhalten beobachteten. Teilweise reagierten sie auf Hamsterkäufe anderer selbst mit Hamsterkäufen, um sich gegen Engpässe abzusichern. Dabei wurde die Angebotseinschränkung auch zu einem gewissen Grad zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung (self-fulfilling prophecy): Erst aufgrund der Hamsterkäufe kam es tatsächlich zu Engpässen bei gewissen Waren. Die Grenzen zwischen einer tatsächlichen und einer durch Panikkäufe nur kurzfristig verursachten Angebotseinschränkung können somit verschwimmen.

Dieser neu wahrgenommene supply constraint erklärt also den Anreiz zu Hamsterkäufen, die in den letzten Wochen nach dem First come, first served-Prinzip die Regale leerten, weil viele Kunden dieselbe Einschätzung, das heißt eine Kombination der genannten Gründe, teilten. Während auf manchen amerikanischen Social-Media-Kanälen vereinzelt Beispiele von anderen Rationierungsmethoden kursierten (zum Beispiel eine Maximalanzahl pro Produkt, die gekauft werden darf, oder drastisch erhöhte Preise ab einer gewissen Stückanzahl), sind diese zumindest in Österreich noch nicht weit verbreitet. Wichtig ist jedenfalls klarzustellen, dass Hamsterkäufe aufgrund der genannten Beweggründe schlichtweg kurzfristig eine zumindest teilweise rationale Strategie aus Sicht der Kunden darstellten. Nicht zuletzt deshalb sollten Hamsterkäufe von Entscheidungsträgern ernst genommen werden.

So viel einkaufen wie möglich: Für einige Konsumenten ist das gerade oberstes Gebot.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Denkanstöße für die Reduzierung von Hamsterkäufen

Auch wenn sie derzeit keine große Herausforderung mehr darstellen: Hamsterkäufe sind wegen der Ineffizienzen und Wohlfahrtsverluste, die sie verursachen, ein marktregulatorisches Problem. Rück- und vorausblickend stellt sich somit die Frage, wie man von Händlerseite und von politischer Seite Hamsterkäufen begegnen sollte, um ihre negativen Effekte so gering wie möglich zu halten.

Grundsätzlich geht es in erster Linie darum, jenen Anreizen entgegenzutreten, die dazu führen, dass der Run zur individuell rationalen Strategie wird. Lebensmittelhändler sollten stets klar zeigen (können), dass erwartete Liefer- oder Produktionsengpässe nicht der Realität entsprechen. Durch volle Transparenz in Bezug auf Bestände (stocks) und zukünftige Lieferungen (flows) können Supermärkte auch kurzfristig einen beruhigenden Effekt erzielen: Man untergräbt das rationale Element von Hamsterkäufen am besten dadurch, dass man sie unmissverständlich unnötig macht. Um der Angst vor Ansteckungen während des Einkaufs zu begegnen, sollten Supermärkte so transparent wie möglich zeigen, wie oft, wie systematisch und wie genau sie ohnehin hygienische und desinfizierende Maßnahmen setzen. Auch hier gilt es also, Gerüchte und unfundierte Ängste durch Klarheit und Transparenz zu entkräften. Beide Strategien scheinen zumindest in Österreich relativ erfolgreich umgesetzt worden zu sein.

Dass Supermärkte durch explizite Rationierungsstrategien auf Hamsterkäufe reagieren, ist rein technisch möglich, aber nicht wünschenswert oder effektiv. Eine Erhöhung von Supermarktpreisen bestimmter Produkte mit hoher "Hamsterwahrscheinlichkeit" könnte wohl nachfragereduzierend wirken und eventuell zur Entstehung von Peer-to-peer-Sekundärmärkten beitragen, auf welchen Kunden gekaufte Überschussware unter dem Marktpreis kaufen und verkaufen. Ganz abgesehen von den rechtlichen Implikationen solcher Schwarzmärkte wäre jedoch ein Preisrationierungsmechanismus aus ökonomischen, sozialen und Fairheitsmaximen zumindest in Bezug auf Grundbedürfnisse in einer Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit eine fatale Entscheidung.

Quantitative Rationierungsmethoden (zum Beispiel maximal zwei Klopapierrollen pro Person und Tag) hingegen lösen das grundlegende Problem nicht, da der (wahrgenommene) supply constraint bestehen bleibt und Kunden mit einer starken Präferenz für Hamsterkäufe einfach mehrmals täglich, und auch bei verschiedenen Supermärkten, einkaufen gehen würden. Letzterer Strategie könnte man vielleicht durch ein Kundentracking beikommen, aber dieser Eingriff wäre wahrscheinlich nicht nur datenschutzrechtlich bedenklich, sondern auch in der kurzen Zeit infrastrukturtechnisch schwer realisierbar. Jedenfalls scheint die Beseitigung des ursprünglichen Anreizes hinter den wohlfahrtsreduzierenden Handlungen kurzfristig die effektivste und auch fairste Maßnahme darzustellen.

Ähnliches gilt auch für mögliche Interventionen vonseiten der Regierung. Um wirkungsvoll zu sein, müssen ihre Maßnahmen gezielt die rationalen Anreize zu Hamsterkäufen abschwächen. Oberste Priorität ist es in diesem Zusammenhang derzeit, Liefer- und Produktionsketten um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Wichtig ist, dass dieses Bestreben und die dafür gesetzten Schritte unmissverständlich öffentlich kommuniziert werden. Hier scheinen europäische Regierungen seit Beginn der Krise zumindest auf nationaler Ebene bemüht und erfolgreich agiert zu haben.

Commitment-Probleme lösen

Im europäischen Kontext bedeutet die Sicherung des Lebensmittelangebots jedoch heute darüber hinaus auch, Landesgrenzen für diese Liefer- und Produktionsketten möglichst offen zu halten. Nationale Regierungen sollten auf keinen Fall in eine Abschottungsmentalität (ring-fencing) verfallen – nicht zuletzt, weil Staaten, die Güterexporte nach außen reduzieren, im hochvernetzten europäischen Wirtschaftsraum früher oder später selbst von Rationierungsmaßnahmen anderer betroffen wären. Aus spieltheoretischer Sicht könnte man von einem wiederholten Spiel sprechen, bei dem es gilt, das Gleichgewicht der offenen Grenzen aufrechtzuerhalten, und ein negatives Szenario gegenseitiger Grenzsperren (gleich einem Gefangenendilemma) mit allen Mitteln zu verhindern.

Offene Grenzen sind im Übrigen nicht nur für Transporte von Gütern, sondern auch für das weitere Funktionieren von Produktionsketten fundamental: Zum Beispiel kann die Produktion vieler landwirtschaftlicher Waren in Österreich langfristig nur mithilfe von Erntehelfern aus Nachbarstaaten garantiert werden. Um die Angst der Konsumenten vor temporären Komplettschließungen der Supermärkte oder stark erhöhten Ausgangssperren zu reduzieren, müsste die Regierung schließlich diese Art von Maßnahmen glaubhaft in die Reihe von absoluten Tabus während der derzeit laufenden containment-Phase einordnen.

Aus mikroökonomischer Sicht steht die Politik allerdings in Bezug auf alle diese Maßnahmen einem sogenannten Commitment-Problem gegenüber. In puncto Grenzschließungen äußert sich diese Sachlage konkret als Koordinationsproblem zwischen einzelnen Staaten. Nationale Regierungen können zwar heute versprechen, Grenzen nicht zu schließen, mögen aber morgen unter hohem innenpolitischem Druck stehen, genau dieses Versprechen zu brechen. Eine EU-weite Übereinkunft mit wirksamen Sanktionen bei Verletzungen der Spielregeln könnte diesen negativen Ex-post-Anreizen eventuell gegensteuern. Eine analoge Lösung für eine bessere Absicherung gegen Supermarktschließungen und totale Ausgangssperren, die glaubhaft die Hände der Regierung in Bezug auf ihre Versprechungen bindet, wäre eventuell durch die Verabschiedung von Gesetzen im Verfassungsrang zu einem Maximalrahmen der Containment-Maßnahmen erreichbar. (Kilian Rieder, 31.3.2020)

Kilian Rieder ist Forschungsökonom in der Hauptabteilung Volkswirtschaft der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB, Eurosystem). Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen angewandte Makroökonomie und Wirtschaftsgeschichte.
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