Die zweite Staffel von Star Trek: Picard ist schon bestellt. Wann CBS sie bereit stellen wird, steht derzeit wohl in den Sternen. Das Coronavirus hat in den USA nahezu alle Dreharbeiten von Filmen und Serien zum Stillstand gebracht. Die Arbeiten an den neuen Folgen sollen im April oder im Mai wiederaufgenommen werden, aufgrund absehbarer Verschiebungen und Terminkollisionen ist letztlich noch offen, wann die Fortsetzung kommen kann.

Corona war jetzt auch schon Thema. Zwei Tage vor dem Staffelfinale am Freitag überbrachte der Chef der Sternenflotte allen Fans, die während des Coronavirus-Ausbruchs zu Hause festsitzen, ein Geschenk. CBS hat Star Trek: Picard bis 23. April auf seiner Streamingplattform freigeschaltet. Noch mehr Sympathiepunkte holt Patrick Stewart selbst. Gegen Corona-Frust liest der 79-Jährige auf seinem Youtube-Kanal täglich aus dem Werk William Shakespeares.

Standhaft bleibt William Shattner bei seinem Nein bezüglich einer Rückkehr zum Raumschiff Enterprise. Immerhin: Der 88-Jährige twittert aus der Isolation – im Logbuchstil.

Für CBS hat sich die Rückkehr des Admirals ausgezahlt. Der Medienriese verzeichnete zum Start Höchstwerte und Dauerpräsenz in sozialen Medien. Mit nicht berauschenden 62 Prozent Zustimmung zeigt sich das Publikum auf der Bewertungsplattform Rotten Tomatoes eher zurückhaltend. Ist eine zweite Staffel dann überhaupt wünschenswert? Konnte Star Trek: Picard die großen Erwartungen einlösen?

DER STANDARD bat die ausgewiesenen Trekkies aus dem eigenen Haus um eine abschließende Bilanz. Sie fällt gemischt aus:

Evan Evagora, Alison Pill und Patrick Stewart als Jean-Luc Picard.
Foto: CBS / Amazon Prime

Plotlöcher, so groß wie ein Borg-Kubus

Ich wollte "Star Trek: Picard" wirklich mögen, ehrlich. Aber am Ende der ersten Staffel bin ich noch immer gespalten. Als langjähriger "Star Trek"-Fan war ich zwar seit der Ankündigung einer neuen Serie um einen der berühmtesten Sternenflotten-Kapitäne eher skeptisch, aber durchaus auch freudiger Erwartung. Was kann mit Patrick Stewart in der Hauptrolle schon schiefgehen?‘, dachte ich mir.

Und "Picard" hat auch vieles richtig gemacht. Picards Bruch mit der Föderation, nachdem sie die romulanischen Flüchtlinge im Stich ließ; sein wiederaufflammender Gerechtigkeitssinn, als die Androidin Dahj ermordet wird; die Verflechtung altbekannter Charaktere in eine neue Geschichte; Seven of Nines Entwicklung zur verbitterten Söldnerin. "Star Trek: Picard" möchte eine durchaus interessante Geschichte erzählen, von einer Föderation, die ihren Grundgedanken verloren hat und den Jean-Luc Picard ihr wieder in Erinnerung ruft.

Doch dann ist da dieses Drehbuch, das sich großteils auf theatralische Dialoge ohne Inhalt beschränkt; Bösewichte ohne Persönlichkeit und mit wackeliger Motivation; Plotlöcher so groß wie ein Borg-Kubus; und ein Staffelfinale, das sich seltsam flach und unbefriedigend anfühlt.

Diese Kombination aus chaotisch wirkender Produktion und den dazwischen eingestreuten Lichtblitzen machen ein abschließendes Urteil in die eine oder andere Richtung für mich unmöglich. Bei der zweiten Staffel bin ich trotzdem wieder dabei – es ist eben immer noch "Star Trek". (Klemens Kunz)

Patrick Stewart hat vieles, aber nicht alles richtig gemacht.
Foto: EPA / ALEXANDER BECHER

Legolas war zu viel

Ich habe Star Trek: Picard anfangs gemocht. Einen sichtlich gealterten Flottenkapitän außerhalb der Brücke zu sehen fand ich aufregend und neu. Aber die Nebenschauplätze, wenn man sie denn so nennen darf, haben mich früh aus dieser Traumwelt geholt.

Wie die Turtelszenen mit Soji und Narek geschrieben sind, jagt mir noch jetzt einen Schmierschauer über den Rücken. Ich musste unweigerlich, und dieser Vergleich tut mir aufrichtig leid, an Star Wars II denken, Gott bewahre. Der alles in Grund und Boden metzelnde Elnor, also known as Legolas, war mir dann zu viel. Ich bin ausgestiegen. Und meine Quarantänezeit nutze ich dann doch lieber anders. (Thorben Pollerhof)

Prime Video UK

Am Ende zu dick aufgetragen

Es ist ja nun mal so: Wenn man sich sehr auf etwas freut, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Enttäuschung am Ende sehr groß ist, ziemlich hoch. Weil Erwartungen kann nichts und niemand erfüllen – das ist eine generelle Konstante im Leben. Jetzt kann ich nicht einmal sagen, dass "Star Trek: Picard" wirklich enttäuscht hat, aber als Fazit bleibt für mich nur ein: Meh.

"Picard" ist eine Serie, wie man sie heutzutage macht. Mit großen und gewaltigen Bildern – eigentlich gemacht für die große Leinwand; mit einer komplexen Geschichte, die sich erst nach und nach aus dem Nebel lichtet und die immer mehr Ebenen bekommt, je länger die Serie läuft; mit einer Geschichte, die über mehrere Folgen oder eine ganze Staffel hinweg erzählt wird, und nicht pro Folge in sich abgeschlossen ist.

Das alles ist nichts Schlechtes. Es ist halt nur nicht das, was ich mir erwartet habe. Und auch nicht das, was ich an "The Next Generation" so mochte. Der Versuch, komplexe Beziehungen zu erzählen, ist lobenswert – es geht nur bei "Picard" nie wirklich auf. Die Schiffsbesatzung auf der La Sirena hat Potenzial, die bombasitische Geschichte rundherum zu erzählen aber immer Vorrang. Für mich hat auch die Reaktivierung so manches Charakters aus "The Next Generation" nicht funktioniert.

Das Treffen zwischen Picard, Riker und Troi war nett, mehr aber auch nicht. Picard als alternder Kapitän ist für wenige Folgen ein sehr schönes Wiedersehen, am Ende aber auch nicht richtig abendfüllend. Und – spoilerfrei – das Ende war mir dann wirklich ein bisschen zu dick aufgetragen. Staffel 2 wird kommen, soviel wissen wir. Ob das eine gute Nachricht ist? Alles in allem ist "Star Trek: Picard" sicher keine schlechte Serie. Wer sich aber auf "Star Trek in Serie" gefreut hat, kriegt hier eher "Star Trek, der Film" in zehn Teilen geliefert. Mich hinterlässt das alles nur so halbglücklich. In Coronazeiten ist das aber auch nicht nichts. (Daniela Rom)

Positiv: Das Wiedersehen mit "Seven of Nine" (Jeri Ryan).
Foto: CBS / Amazon Prime

Verliebt in "Seven of Nine"

Alle waren ein wenig in sie verliebt, damals in den 1990ern. Zumindest alle männlichen und weiblichen Nerds, die Fans von "Star Trek: Voyager" waren. Die Geschichte rund um die "deassimilierte" Borg "Seven of Nine", die sich in die Crew der Voyager integrierte, war allerdings nicht der Hauptgrund für kollektive Schwärmereien am Pausenhof, im Wirtshaus nach drei Bier oder der Lan-Party. Und es war selten die schauspielerische Leistung der Seven of Nine-Darstellerin Jeri Ryan.

Das "Seven of Nine" in "Star Trek: Picard" wieder auftritt, macht die Serie zu etwas Besonderen. Bisher fehlten bei Star Trek coole, rebellische Frauen, die sich – mit Verlaub- überhaupt nichts scheißen. Diese Lücke wurde nun geschlossen.

Wer mehr Jeri Ryan sehen will, dem sei sie Amazon-Serie Bosch ans Herz gelegt. (Markus Sulzbacher)

(Doris Priesching, 31.3.2020)

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