Entweder ziehen sich Künstler jetzt zurück und produzieren weiter Kunst, oder sie mobilisieren sich und rufen zu Solidarität auf, beschreibt Initiator Manuel Gras die Situation in der bildenden Kunst.
Foto: Bjarni Svanur Fridseinsson

"Wie hoch ist der erwartete Einnahmenausfall (brutto)?", so eine Umfrage der IG Bildende Kunst, die den finanziellen Verlust bildender Künstler evaluieren möchte. Die Resonanz sei hier sehr groß, heißt es seitens der Interessenvertretung, bisher haben 200 Kunstschaffende daran teilgenommen. Daraus geht hervor, dass bei 91 Prozent der selbstständig tätigen Künstler in Österreich momentan fast alle Einnahmen wegbrechen.

Ateliers und Lagerräume

Auf der Homepage wird über Unterstützungsmaßnahmen informiert, die Betroffene nun vor finanziellen Schwierigkeiten bewahren oder diese zumindest abfedern sollen. Denn viele seien schon jetzt nicht mehr in der Lage, ihre Fixkosten zu decken, heißt es in einem Appellbrief der IG Bildende Kunst, der sich vergangene Woche an Akteure wie Wiener Wohnen oder die Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler richtete. Darin wird der Erlass des Mietzinses für Künstler-Ateliers in Gemeindewohnungen gefordert.

Dort, wo die Hilfe nicht greift oder zu lange dauert, möchten nun Initiativen einspringen. Vereine solidarisieren sich mit Kunstschaffenden, meistens sind die Initiatoren selbst betroffen. So wie der Künstler Manuel Gras, der mit seinem Förderverein Red Carpet kostenlose Atelier- und Lagerräume für Künstler zur Verfügung stellt. Nach den drei großen Atelierräumen in Wien Floridsdorf und der Lagerhalle in Brigittenau haben sich bereits etwa 100 Personen erkundigt, so Gras. Der Verein wurde 2009 als Reaktion auf die Eurokrise gegründet. Er sollte als Rettungsnetzwerk für Kunstschaffende funktionieren, falls die Kunstwelt erneut einen verheerenden Stillstand erleben muss. Nun scheint es so weit zu sein.

Online-Auktionen

Damit künstlerische Arbeiten trotz Einschränkungen öffentlich sichtbar sind, werden vier Showrooms bei den U-Bahn-Stationen Volkstheater, Altes Landgut, Schottentor und Karlsplatz, die der Verein seit 2014 heimischen Künstlern zur Verfügung stellt, bespielt. Ab nächster Woche sollen die Vitrinen mit Werken jeweils eines Künstlers oder eines Kollektivs befüllt werden. Dafür sind bisher 120 Bewerbungen eingegangen, eine Jury soll die Auswahl treffen.

Um den durch Verkaufsausfälle entstandenen Verlust für Künstler etwas zu mindern, startete auch die Kunstdatenbank Artcare eine Initiative, bei der Kunstwerke online zum Kauf angeboten werden. Mit Lebenslauf und (digitaler) Werkmappe können sich hier Künstler bewerben. Generell können hier alle mitmachen, eine gewisse Qualität müsse aber gewährleistet sein, so der Initiator und Galerist Raimund Deininger.

Insbesondere junge Kunstschaffende und Studierende an den Akademien möchte er damit unterstützen. Im Angebot finden sich aktuell über 80 Werke, die Preise variieren zwischen ein paar Hundert und mehreren Tausend Euro. 80 Prozent des Erlöses gingen an die Künstler, 20 Prozent an die Vermittlung. "Es geht darum, etwas zu pushen", so Deininger. Bisher konnten fast 20 Kunstwerke verkauft werden, verschickt werden sie erst nach der Krise.

Bis der Wahnsinn endet

In der vergangenen Woche zogen auch andere Auktionshäuser nach, so auch die Ressler Kunst Auktionen. Bei der "Corona Benefiz Aktion" sollen online Kunstwerke versteigert und die Verkaufserlöse abzugsfrei an die Künstler überwiesen werden. Und auch immer mehr Stiftungen engagieren sich, sammeln Spendengelder oder stellen Sonderbudgets für den Ankauf von Werken betroffener Künstler.

Fragt man Manuel Gras, wie lange die Räume des Vereins kostenlos zur Verfügung stehen werden, antwortet er pragmatisch: "Bis dieser Wahnsinn ein Ende hat – und solange das Budget reicht." Auf Social Media beobachtet er einen Aufschrei in der Szene, und er ist sich sicher, dass mehr und mehr Unterstützungsprojekte ins Leben gerufen werden. Die Kunstszene brauche jetzt solidarische Initiativen, so Gras. "Wir müssen gemeinsam laut werden, damit niemand durch den Rost fällt." (Katharina Rustler, 31.3.2020)