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In Deutschland mehren sich die Stimmen für die Nutzung von Handy-Daten zur Bekämpfung des Coronavirus.

Foto: AP Photo/Mark Schiefelbein

In Deutschland mehren sich die Stimmen für die Nutzung von Handy-Daten zur Bekämpfung des Coronavirus. In der deutschen Bundesregierung wurde die Frage einer digitalen Nachverfolgung von Infektionswegen am Montag im sogenannten Corona-Ausschuss des Kabinetts besprochen, ohne dass aber eine Entscheidung für ein Modell fiel.

App gibt's bereits

Das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin teilte mit, es arbeite an einer Smartphone-App, die mithelfen sollen, Corona-Infektionen einzudämmen.

Diese App soll anonymisiert Abstandsdaten per Bluetooth übermitteln. Dabei könnten Handynutzer etwa gewarnt werden, dass sie in Kontakt mit einer infizierten Person gekommen sind. Vorbild könnte ein digitales System sein, das auch in Singapur mitgeholfen hat, die Ausbreitung des Coronavirus dort maßgeblich mit einzudämmen.

Erster Anlauf gescheitert

Gesundheitsminister Jens Spahn war vergangene Woche mit einem Vorstoß gescheitert, im Infektionsschutzgesetz eine automatische Weitergabe von Handydaten von Infizierten etwa an das Robert-Koch-Institut einzuführen. Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Ulrich Kelber, hatte den Spahn-Vorstoß abgelehnt. Er betonte auf Twitter aber, dass er keine Bedenken gegen die Nutzung anonymisierter Standortdaten der Mobilfunkbetreiber habe.

Der Ko-Direktor des Chinesisch-Deutschen Freundschaftskrankenhauses in Wuhan, Eckard Nagel, sprach sich im Reuters-Interview für digitale Maßnahmen zur Eindämmung des Virus aus: "In Deutschland wäre eine Pflicht richtig, eine Covid-19-App nutzen zu müssen – eine Handyortung lehne ich dagegen ab", sagte er mit Blick auf die Nachverfolgbarkeit von Infektionswegen und die Erfahrungen in einigen asiatischen Staaten.

SPD-Chefin für anonyme Handy-App

Auch SPD-Chefin Saskia Esken hat sich für eine Smartphone-App ausgesprochen, die mit Hilfe anonymer Daten zur Eindämmung der Coronavirus-Infektionen beitragen könnte. Voraussetzung sei die Nutzung auf freiwilliger Basis, sagte Esken am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich kann dem Einsatz einer solchen Technologie aus fachlicher und aus politischer Sicht insofern nur zustimmen und würde mir die App auch selbst installieren." Die derzeitigen Kontaktbeschränkungen könnten erst gelockert werden, wenn es auf anderem Weg gelinge, Infektionsketten zu unterbrechen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warf sie vor, er habe ein "untaugliches Tracking von Bewegungsdaten aller Bundesbürger" vorgeschlagen und "viel Porzellan zerschlagen, das jetzt mühsam wieder eingesammelt werden müsse".

Die SPD-Chefin sieht in einer solchen App die Möglichkeit, Persönlichkeitsrechte wie auch den Schutz der Allgemeinheit unter einen Hut zu bekommen. "Wir müssen jetzt einen Weg finden, mithilfe von Kontaktdaten Infektionsketten zu unterbrechen, der mit den Persönlichkeitsrechten in Einklang steht und dem die Menschen vertrauen können", sagte Esken. "Der Vorschlag einer Handy-App, die anonyme Informationen über Kontakte von relevanter Dauer und relevanter Nähe über Bluetooth austauscht und dezentral speichert, scheint dabei ein gangbarer Weg zu sein." Erst im Fall einer nachgewiesenen Infektion würden die Daten genutzt, um etwa Kontaktpersonen zu informieren. "Eine solche Technologie wäre aus Sicht des Datenschutzes unbedenklich und dennoch hoch wirksam, vor allem wenn viele Menschen ihr das Vertrauen entgegenbringen, sie auf freiwilliger Basis zu nutzen." (APA/Reuters, 30.3.2020)