Gestatten: Mein Name ist Teddy, so wie Theodore Roosevelt Jr. Ich bin, obwohl in der pannonischen Tiefebene gezeugt, ein Hund ideal für das Alpenvorland – obendrein von vornehmer Denkungsart. Mein Fell ist schwarz wie Kohle. Ich lebe, wiewohl ausgehfreudig, auf äußerst kurzgewachsenen Beinen. Seit gut zwei Wochen sind mein Herrchen – Redakteur einer Tageszeitung –, aber auch Frauchen und die beiden Mädchen tagsüber zu Hause.

Gestatten, ich heiße Teddy. Ich helfe Menschen, in der Quarantäne regsam zu bleiben. Wie? Ich veranlasse sie, mich andauernd zu füttern.
Foto: Pohl

Da ich von Natur aus sehr gesellig bin, begegne ich ihrer ausdauernden Liebe zum häuslichen Leben mit viel Nachsicht. Ihre Gewohnheiten reizen mich allesamt zum Lachen. Alle vier sitzen wiederholt vor Flimmerkästen. Dabei starren sie mit gekräuselter Stirn ihresgleichen an. Menschen! Man muss ihnen lediglich das Gefühl vermitteln, sie seien mächtig und allwissend, schon bedenken sie einen mit einer Vielzahl von Leckerlis.

Überhaupt kehren sie von ihren sporadischen Einkäufen seit einiger Zeit beladen wie die Maultiere wieder. Mir soll’s recht sein! Es ist der 14. Tag der sogenannten Quarantäne. Bis vor kurzem zogen an unserem Häuschen im Wienerwald Kohorten von Ausflüglern vorüber. Rüstige Menschen, an jeder Hand einen Stock, was ihnen beim Ausgreifen das Aussehen von mutierten Spinnen verlieh. Ich verbelle sie tüchtig, mit meinem schönen, rauen, an den reifen Tom Waits gemahnenden Organ. Oje, Herrchen und Frauchen schimpfen umgehend mit mir! Ich solle die armen Städter sich in Ruhe die Beine vertreten lassen.

Schein der Normalität

Der 17. Tag. Trügt mich mein Körpergefühl, oder habe ich ein paar überschüssige Pfunde an den Rippen? Das ewige Betteln um Leckerlis ist auch kein Honiglecken! Die Gesichter meiner Lieben sind anhaltend blass, trotz flüchtiger Sonnenbäder. Anderen Zweibeinern weichen sie auf der Straße demonstrativ aus. Ich pflege meine Hundebekanntschaften mit heftigem Ziehen an der Leine weiter, irgendjemand muss ja den Schein der Normalität wahren. Ach ja, ich überraschte Frauchen soeben dabei, wie sie sich ein weißes Stück Stoff vor den Mund band. Meinetwegen hätte sie das nicht machen müssen. Ich würde mir sowieso niemals eine Maske vor die Schnauze binden lassen. Wie soll ich denn sonst all die Leckerlis gewissenhaft verdrücken?

In Ungarn, meiner alten Heimat, tragen sie jetzt Maulkörbe ganz anderer Art. Viktor Orbán soll sich getrauen, an unserem Häuschen vorbeizuwatscheln! Ich weiß magyarische Hundeflüche, ihr würdet euren Welpen die Ohren verschlossen halten! (Ronald Pohl, 01.04.2020)