Am Dienstag reisten die Österreicher ohne Hauptwohnsitz in den Quarantänegebieten aus. In manchen Bundesländern müssen diese Personen wieder in Quarantäne, in anderen nicht.

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Am kleinen bayerischen Bahnhof Mittenwald, direkt an der Grenze zu Tirol, herrschte am Montagnachmittag Verwirrung. Gerade waren fünf Regio-Busse aus Österreich, genauer gesagt dem Quarantänegebiet im Paznaun, in Polizeibegleitung vorgefahren. Den Bussen entstiegen rund 200 Deutsche, allesamt mit Schutzmasken vorm Gesicht, die in den Gemeinden Galtür, Ischgl, Kappl und See als Saisonarbeitskräfte tätig gewesen waren und dort seit 13. März wegen der Quarantäneverordnung festgesessen waren.

Seit dem vergangenen Wochenende laufen die Rückreisen der rund 3600 in- und ausländischen Mitarbeiter aus diesen abgesperrten Regionen im Tiroler Oberland. Mit Stand Dienstag, 15 Uhr, waren 1.451 der Saison-Mitarbeiter abgereist, davon 222 Österreicher. Daneben waren es vor allem Deutsche, Ungarn, Briten, Schweden, Slowenen und Bulgaren. Das Land Tirol koordinierte diese Abreise zusammen mit den Bundesministerien und den jeweiligen Botschaften. Innerhalb Österreichs wurden die jeweiligen Bezirkshauptmannschaften von rückkehrenden Arbeitskräften aus den Quarantänegebieten informiert.

Anders als am 13. März, dem Tag, an dem die Quarantäneverordnung in Kraft trat und offenbar einige Hals über Kopf ausreisten, solange es noch möglich war, lief diesmal alles geordneter ab. Entweder in Bussen oder von der Polizei eskortierten Kolonnen von Privat-Pkw ging es aus dem Tiroler Oberland an die Grenze, oder nach Hause.

Kurze Hektik auf dem Bahnsteig

Als die ersten deutschen Heimkehrer am Montag in Mittenwald ankamen, wurden einige bereits von Verwandten erwartet, die sie abholten. Die große Mehrheit musste aber weiterreisen und marschierte schnurstracks zum Bahnsteig, wo bereits der Regionalzug nach München wartete. Drei bayerische Polizeibeamte überwachten das Umsteigen. Doch bevor der voll besetzte Zug losfahren konnte, kam kurz Hektik auf.

"Wollen Sie mir sagen, dass da womöglich infizierte Personen drinsitzen?", fragte einer der Beamten, der mit einer Gruppe junger Männer diskutierte, die nicht wussten, wie es nun für sie weitergeht, da man ihnen bei der Abreise in Tirol gesagt habe, ab Mittenwald sei die Weiterreise organisiert – was nicht der Fall war. "Wahrscheinlich, ja. Aber woher sollen wir das wissen?", antworteten diese sichtlich entnervt dem Polizisten, "wir wurden ja nicht getestet, wir haben nur unterschreiben müssen, dass wir uns gesund fühlen." Um ausreisen zu dürfen, mussten alle Mitarbeiter schriftlich bestätigen, "symptomfrei" zu sein.

"Ich bin doch kein Arzt", ärgerte sich einer der jungen Männer. Sie hätten in Ischgl darum gebeten, getestet zu werden, weil sie Sorge haben, nach ihrer Rückkehr womöglich Verwandte oder Bekannte zu infizieren. "Wir kommen direkt aus Europas Seuchenherd und ich habe eine Mutter mit Vorerkrankung zu Hause", erklärte Daniel S. (Name der Redaktion bekannt) sein Dilemma. Doch ohne Symptome kein Test, hieß es für sie. Ihre Bitte, länger bleiben zu können, sei abgelehnt worden.

Deutsche Behörden uninformiert

Seitens ihres Arbeitgebers, der Silvretta Seilbahnen, habe es geheißen, dass es letztlich in ihrer eigenen Verantwortung liege. Wenn sie die seit zwei Wochen geltende Quarantäne eingehalten hätten und keine Symptome aufwiesen, müssten sie schließlich gesund sein. "Ich wohnte in einem Personalzimmer, in einem Haus mit mehreren positiv getesteten Kollegen, wir nutzten dort Gemeinschaftsräume." Die Gemeinde Ischgl, Hauptaktionär der Seilbahnen, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Ob dieser Information verunsichert wiesen die Polizisten in Mittenwald den Zugsführer an, nicht loszufahren. Das decke sich nicht mit den Informationen, die sie erhalten hätten, sagte einer der Beamten, die offenbar davon ausgingen, dass nur negativ getestete Personen aus Österreich kommen würden. Nach ein paar eiligen Telefonaten wichen die Beamten, der voll besetzte Zug fuhr ab nach München.

Daniel S. kam am frühen Dienstagmorgen endlich zu Hause an, berichtete er dem STANDARD. Dort meldete er sich vormittags umgehend beim örtlichen Gesundheitsamt. "Die wussten von nichts und meinten nur, ich solle nun bitte zwei Wochen in Heimquarantäne bleiben." Das versuche er nun so gut es geht. Er und seine Mutter haben sich ihr Zuhause aufgeteilt und vermeiden in den kommenden zwei Wochen jeden Kontakt zueinander.

Noch rund 150 Deutsche in Tirol

Der deutsche Botschafter in Wien, Ralf Beste, ist froh, dass der Großteil seiner Landsleute – rund 300 – schon einmal ausreisen konnte. Möglich war dies, nachdem die Gesundheitsministerien in Berlin und Wien das Okay gegeben hatten, schließlich kamen die Menschen ja aus den Quarantänegebieten. Entscheidend war, dass sie schon mehr als zwei Wochen in Quarantäne verbracht hatten, also die Zeit seit dem 13. März. Zudem mussten sie versichern, dass sie keine Symptome hätten und fieberfrei seien.

In Deutschland müssen sie sich nun bei den zuständigen Gesundheitsämtern melden und in Heimquarantäne begeben. Ob die Rückkehrer sich nun übers ganze Land verteilen oder vermehrt aus bestimmten Regionen kommen, ist den Behörden nicht bekannt. Beste sagt aber auch: "Die Arbeit ist noch nicht zu Ende, wir bemühen uns um weitere Möglichkeiten für die Ausreise." Rund 150 Deutsche sind noch in Tirol, wollen aber auch nach Hause.

Konvoy in die Slowakei

Aus der slowakischen Botschaft in Wien wurde dem STANDARD mitgeteilt, dass am Dienstag zwei Pkw-Konvois aus St. Anton am Arlberg und Ischgl ihre Rückreise in die Slowakei angetreten haben. Die bis zu 300 Personen aus den Tiroler Quarantänegebieten müssen nun – wie alle aus dem Ausland eingereisten Staatsbürger – erneut in eine 14-tägige Quarantäne. Die Koordination folgte in enger Abstimmung mit den Gemeinden vor Ort. Am 3. April soll es einen weiteren Konvoi aus Sölden geben, sobald dort die Quarantänefrist abgelaufen ist.

Auf dem Facebook-Account des ungarischen Außenministers Péter Szijjártó war die Rede von rund 500 Ungarn, die mit 4 Bussen und 150 Autos am Montag über die Grenze gebracht wurden. Szijjártó deutete an, dass sich noch mehr ungarische Staatsbürger in den Quarantänegebieten aufhalten würden. Auch in Ungarn werden die Rückkehrer für zwei Wochen unter Quarantäne gesetzt.

Unterschiedliche Regelungen für Österreicher

Am Dienstagmorgen folgten weitere Busse aus dem Quarantänegebiet im Tiroler Oberland mit österreichischen Saison-Arbeitskräften in deren Heimatbundesländer. Laut Auskunft des Landes Tirols war ihre Rückkehr mit den jeweiligen Bezirkshauptmannschaften akkordiert. Laut Gesundheitsministerium handhabe jedes Bundesland die Rückkehrer unterschiedlich.

Das Linzer Stadtmagistrat erklärte, Personen aus Tirol müssen sich nach Ankunft zu Hause noch einmal in 14-tägige Quarantäne begeben. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Personen schon in Quarantäne waren.

Aus dem Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) heißt es, dass bei den betroffenen Rückkehrern keine zusätzlichen Quarantänemaßnahmen notwendig seien, da diese sich schon in Tirol unter Quarantäne befunden hätten. Dies sei mit dem Bundeskrisenstab abgestimmt.

In der steirischen Landesregierung und auch in der Bezirksbehörde Graz wusste am Dienstag wiederum niemand etwas von "Bussen aus Ischgl". Vom Land wurde an die Stadt Graz als zuständige Behörde verwiesen. Die dortige Leiterin des Gesundheitsamtes, Eva Winter, unterstrich im Gespräch mit dem STANDARD, dass sie über keine Informationen dazu verfüge, ob ein Bus nach Graz unterwegs oder bereits angekommen sei. Sie gehe aber davon aus, dass sämtlichen Businsassen bewusst sei, dass sie sich in Graz in freiwillige Heimquarantäne begeben müssten: "Es gibt klare Regelungen für Rückkehrer, und das ist eine 14-tägige Selbstquarantäne." Die Koordination des Rücktransportes aus Ischgl müsste aber über das Land laufen, sagte Winter. (Steffen Arora, Birgit Baumann, Laurin Lorenz, Gerald Schubert, Walter Müller, 31.3.2020)