Auch wenn die Familienarbeit nur kurzfristig wegen Unabkömmlichkeit von Frauen im Job neu verteilt wird, könnte das einen langfristigen Effekt haben.

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Eine neue Studie von Forscher*innen der Northwestern University, der Universität Mannheim und der University of California befasst sich mit den veränderten Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen aufgrund von Corona. Frauen sind aufgrund des Coronavirus durch die bezahlte als auch unbezahlte Care-Arbeit derzeit mit zusätzlichen Aufgaben konfrontiert. Auf der anderen Seite werden sie aufgrund der wirtschaftlichen Krise ihren Arbeitsplatz verlieren, heißt es in der Studie.

Der Effekt: Die bestehenden Ungleichheiten werden sich verschlimmern – zumindest kurzfristig, so die Forscher*innen. Auf lange Sicht könnte die Corona-Krise aber auch ein Katalysator für Veränderungen in der Arbeitskultur sein, zum Beispiel durch eine erhöhte Flexibilität, die langfristig die Gleichstellung der Geschlechter fördern könnte. So seien derzeit etwa mehr Väter gezwungen, die Hauptverantwortung für die Kindererziehung zu übernehmen. Das könnte kulturelle Normen verändern.

Vergleich mit vorangegangenen Krisen

In der Studie wurde untersucht, was den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung von früheren Rezessionen unterscheidet. In allen großen Rezessionen, auch aufgrund der Finanzkrise vor zehn Jahren, verloren mehr Männer als Frauen ihren Arbeitsplatz. Der Grund: Die von den Rezessionen am stärksten betroffenen Bereiche waren von Männern dominiert, etwa die Produktion oder das Bauwesen. Zudem leisteten verheiratete Frauen in bisherigen wirtschaftlichen Krisen oftmals mehr Erwerbsarbeit, um den finanziellen Verlust in der Familie auszugleichen.

Doch in der aktuellen Krise sind völlig andere Bereiche betroffen, erklärt Matthias Doepke, Ökonom an der Northwestern University und Mitautor der Studie, in einem Interview mit der "New York Times". Stark betroffene Sektoren wie etwa die Gastronomie oder auch die Reisebranche haben eine relativ hohe Beschäftigung von Frauen, demnach werden in dieser Krise auch mehr Frauen ihre Arbeitsplätze verlieren, so Doepke.

Faktor Kinderbetreuung

Ein weitere Faktor, der für Frauen in dieser Krise besonders erschwerend hinzukommt: Menschen mit Kindern müssen nun aufgrund von Schließungen oder Zugangsbeschränkungen zu Betreuungseinrichtungen und Schulen die gesamte Kinderbetreuung übernehmen. Diese zusätzliche Arbeit wird bei der überwiegenden Mehrheit von Frauen erledigt, was ihnen wiederum erschwert, ihrer Erwerbsarbeit nachzugehen.

Auf der anderen Seite sehen die Forscher*innen auch die Chance auf einen kulturellen Wandel. Einen solchen hätte es etwa in Bezug auf Arbeit durch den Zweiten Weltkrieg gegeben, weil zum ersten Mal viele verheiratete Frauen mit Kindern in die Arbeitswelt eintraten. "Viele Untersuchungen zeigen, dass dies einen anhaltenden Einfluss auf die sozialen Normen hatte", sagt Doepke.

Bei der jetzigen Krise gebe es jedenfalls Potenzial vonseiten der Arbeitgeber*innen. Aktuell müssen zahlreiche Unternehmen Homeoffice anbieten und auch Richtlinien und Technologien dafür anbieten. Die Unternehmen haben dahingehend investiert und auch viele Vorteile gesehen. Die Forscher*innen gehen deshalb davon aus, dass diese zusätzliche Flexibilität zumindest zum Teil auch nach der Krise erhalten bleibt und Mütter von dieser neuen Flexibilität profitieren würden.

Chancen für die Arbeitsteilung

Ein weiteres Potenzial liege in der Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit. Nicht alle, die mehr verdienen, arbeitet auch mehr, sagt Doepke, vielmehr habe das mit kulturellen Erwartungen und Normen zu tun. So übernehmen etwa noch immer Frauen mit einem höheren Einkommen als das ihrer Männer häufig den größeren Teil der Kinderbetreuung. Doch Normen wie diese, also dass die Sorgearbeit unabhängig von der Erwerbsarbeit automatisch den Frauen zugeteilt wird, könnten sich nun aufweichen. Etwa wenn Frauen im medizinischen oder einem anderen notwendigen Bereich arbeiten und Väter deshalb zu den Hauptzuständigen für Haushalb und Kinder werden.

Laut den Wissenschafter*innen legen Untersuchungen nahe, dass diese vorübergehenden Veränderungen einen nachhaltigen Effekt haben werden. So zeigte beispielsweise eine Studie aus Spanien, dass bereits ein zweiwöchiger Urlaub speziell für Väter eines neugeborenen Kindes dazu führte, dass sie sich künftig mehr an der Kinderbetreuung beteiligten. (beaha, 1.4.2020)