Im Prinzip wollen wir ja alle viel mehr Fisch essen. In den Ferien oder im Restaurant klappt das auch ganz gut – fällt derzeit halt beides flach. Zu Hause regiert dafür immer noch die Angst des Binnenländers vor der Gräte. Viele entscheiden sich deshalb für Erzeugnisse, die zwar aus Fisch bestehen, dies aber möglichst vollständig zu verleugnen trachten: Panier-Vehikel wie Fischstäbchen und gebackene Gummiringerl zum Beispiel oder sogenannte Schlemmerfilets, bei denen schon der Name deutlich macht, dass die eigentliche Absicht des Verzehrs mehr im Würzmüll der Sauce zu suchen ist als im Fisch, der darunter begraben wurde. Garnelen dürfen’s auch sein, die kopflosen Engerlinge aus dem Penicillin-Schlamm möglichst schon geschält und vorgegart, dann leuchten sie rosa-schick aus der Tiefkühltruhe und schmecken besonders diskret nach Protoprotein.

Watscheneinfaches Festessen: ein kapitaler Wildfang-Steinbutt von Eishken, mit Salz und Öl ins Rohr geschoben.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Dass wir uns damit unter Wert schlagen lassen? Geschenkt. Jeder Junk darf ungestraft eingeworfen werden – bei Fisch mit Gräten aber werden viele, ansonsten vernunftbegabte Landsleute plötzlich zu kopflosen Hendln. Dabei ist der Mund nicht zufällig als multipel spezialisiertes Tastwerkzeug konzipiert – wir dürfen ihn also auch als solches verwenden.

An der Gräte gerät Fisch unendlich saftiger, geschmackvoller, vielschichtiger. Außerdem lässt sich aus Kopf und Karkasse hinterher ein Fond ziehen, der als Basis für Risotto, Laksa oder sonstwas gleich die nächste Mahlzeit sichert. Von den Freuden der anatomischen Beschäftigung mit dem, was man gleich zu einem Teil seiner selbst machen darf, war da noch gar nicht die Rede.

Die Vorteile des Selbstverkochens von ordentlichem Fisch sind also vielfältig. Die Wirtshäuser sind bis auf weiteres ohnehin dicht. Und gegarter Fisch ist viel zu fragil, um via Lieferservice zu traurigem Katzenfutter zu verkommen.

Für Eishken, Österreichs wohl renommiertesten Fisch- und Meeresfrüchtelieferanten der Qualitätsgastronomie, waren die Konsequenzen des Virus-Lockdowns aufs Erste ähnlich existenzbedrohend wie für seine Kundschaft. Aber das Unternehmen hat, wie es sich für alerte Wirtschafter gehört, fix umdisponiert – und liefert nun auch an Privatkunden aus. Das ist, man darf es sagen, ganz eindeutig eine der erfreulichen Folgen der Krise.

Wildfang-Steinbutt auf blättrig geschnittenen Erdäpfeln und Fenchel
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wildfang-Sechser!

Dass ein Wildfang-Steinbutt mit 2,8 Kilo wie der oben abgebildete sich auf der Monatsabrechnung bemerkbar macht, lässt sich nicht wegdiskutieren. Aber das wäre bei einem Festgelage für sechs Personen im Restaurant noch viel deutlicher der Fall. Der Vollständigkeit halber: Das Testobjekt wurde mit nichts als Salz und Olivenöl gewürzt und auf blättrig geschnittenen Erdäpfeln und Fenchel bei 250 Grad für knapp 25 Minuten im Rohr vergessen. Hat sechs Mäuler auf feudale Weise sehr glücklich gemacht.

Es gibt natürlich günstigere Möglichkeiten, bei Eishken einen Fang zu landen. Skrei im Ganzen zum Beispiel, einer der besten Fische überhaupt, um kaum 13 Euro je Kilo. Da muss man allerdings den Ganzen nehmen – Minimum sechs Kilo. Macht also zwei Festgelage für sechs hintereinander. Zuchtgetier gibt es auch, da muss man aber mit sich selber ausmachen, warum der Fisch, den man isst, Wildfang zu sich nehmen durfte – man selbst aber nicht.

Ein Hinweis muss noch sein: Wer das Glück hat, in Gehweite einer guten Fischhandlung – wie in Wien Goldfisch in der Lerchenfelder Straße oder Gastro Fisch Brac in der Zollergasse – zu wohnen, der sollte sich die Lebensfreude nicht nehmen lassen, das Tier seiner Wahl selbst auszusuchen! Ganz abgesehen davon, dass uns kleine Qualitätsbetriebe wie diese unendlich fehlen werden, wenn wir sie nicht jetzt durch diesen Horror mittragen! (Severin Corti, 3.4.2020)