Kein Anblick, den man mit der Antarktis verbinden würde. Doch so soll es dort vor 90 Millionen Jahren ausgesehen haben.
Illustration: AWI/James McKay

Bremerhaven – Es ist bekannt, dass es in der Erdgeschichte immer wieder ausgedehnte Perioden gab, in denen das Weltklima wärmer war als heute. Auch die Kreidezeit, die letzte Ära der großen Dinosaurier, ist bereits als eine solche Periode identifiziert worden. Dennoch hat man das Ausmaß dieser Wärmephase bislang anscheinend unterschätzt: Darauf weist eine sensationelle Entdeckung hin, von der Forscher im Fachjournal "Nature" berichten.

Überraschungsfund

Bei einer Expedition im Jahr 2017 hatten Geologen nahe den Pine-Island- und Thwaites-Gletschern im Küstenbereich der Westantarktis einen Sedimentbohrkern entnommen, dessen unerwartete Farbe ihnen sofort auffiel. Bei der Analyse mithilfe eines Computertomographen zeigte sich dann, dass diese Probe jede Menge Pflanzenmaterial enthielt. Die Forscher entdeckten Reste eines dichten Wurzelgeflechts, Pollen, Sporen von Gefäßpflanzen und Reste von Blütenpflanzen. Es konnten sogar noch Details von Zellstrukturen identifiziert werden.

Hier ist offenbar ein ganzer Wald versunken – genauer gesagt ein sogenannter gemäßigter Regenwald, wie man sie heute vor allem an der Westküste Nordamerikas, aber auch in Neuseeland findet. Ihr kreidezeitliches Gegenstück wuchs hingegen in Südpolnähe, auf einer geografischen Breite von 82 Grad und nur 900 Kilometer vom Pol entfernt. Nadelhölzer und Baumfarne schufen hier vor 90 Millionen Jahren einen dichten, sumpfigen Wald und damit einen üppigen Lebensraum.

Vor 90 Millionen Jahren hatte sich der einstige Superkontinent Gondwana schon weitgehend aufgelöst.
Illustration: AWI

"Der Fund hat uns sehr überrascht", sagte der Geologe und Studienerstautor Johann Klages vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Die Analysen seines Teams hätten ergeben, dass es in der Antarktis während der mittleren Kreidezeit im Jahresschnitt zwölf Grad Celsius warm war. Das liegt zwei Grad höher als der heutige Durchschnitt in Mitteleuropa.

Und das bedeutet noch mehr: "Damit steht fest, dass die Antarktis eisfrei gewesen sein muss", sagte Klages. Darüber ist zwar schon spekuliert worden, sicher sei es bisher aber nicht gewesen. "Wir wussten nur, dass die Kreidezeit eine der wärmsten Zeiten war, aber hatten keine Hinweise aus der Gegend nahe des Südpols." Anstatt eine Eiskappe zu tragen, dürfte der gesamte Kontinent Antarktika damals von Vegetation bedeckt gewesen sein.

Verantwortlich für das damalige Treibhausklima war laut den Forschern die gleiche Substanz, die auch heute die Temperaturen wieder nach oben treibt – auch wenn sie damals nur aus natürlichen Quellen kam: Kohlendioxid. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre müsse damals viel höher gewesen sein als bisher vermutet.

Und so sieht es heute in der Gegend aus: das AWI-Forschungsschiff Polarstern vor Ort.
Foto: AWI/Johann Klages

"Die Studie verdeutlicht, welch hohes Potenzial das Treibhausgas Kohlendioxid als Energielieferant besitzt und welche Kühleigenschaft die heutigen Eisschilde haben", sagt Klages. Die Auswirkungen führt eine andere Zahl besonders deutlich vor Augen: Das damalige Klima ging mit einem Meeresspiegel einher, der 170 Meter über dem heutigen lag.

Offene Fragen gibt es noch zum Wachstumszyklus der Pflanzen. Denn auch wenn es damals in der Antarktis lauschig warm war, in einem Punkt unterschieden sich die kreidezeitlichen Verhältnisse kein bisschen von den heutigen: Auf einer geografischen Breite von 82 Grad Süd mussten die antarktischen Regenwälder mit einer viermonatigen Polarnacht fertigwerden. (jdo, APA, 1. 4. 2020)