Weniger Staat, mehr privat. Der Markt regelt alles. Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Sprüche wie diese haben wir noch vor einiger Zeit oft gehört. Seit Corona hören wir sie nicht mehr. In der Krise zeigt sich: Die Leute wollen einen starken Staat. Mehr denn je.

Auch Skeptiker haben mittlerweile die drei Krisenmusketiere Sebastian Kurz, Rudolf Anschober und Karl Nehammer schätzen gelernt, die uns fast täglich erklären, was Sache ist: Ab morgen machen wir es so. Und fertig. Keine Arbeitskreise, keine Untersuchungskommissionen, keine Diskussionen. Die Opposition macht mit. Ist das gut oder schlecht? Der Weg in den Autoritarismus oder in eine Stärkung der demokratischen Institutionen? So, wie die Dinge derzeit liegen, ist beides möglich.

Die drei Krisenmusketiere Anschober, Kurz, Nehammer.
Foto: EPA / Christian Bruna

Wenn vom "nationalen Schulterschluss" die Rede ist, fühle er sich nicht wohl, meinte vor kurzem Falter-Chefredakteur Florian Klenk. Viele Medienleute geben ihm recht und betonen, dass Kritik auch in Krisenzeiten wichtig ist und die Demokratie jetzt erst recht bewahrt werden muss. Viktor Orbán in Ungarn hat gezeigt, wie schnell sich diese in Ausnahmesituationen aushebeln lässt. Weil die Opposition seinem Notstandsgesetz nicht zugestimmt hat, kann er seine Gegner jetzt ungestraft als Antipatrioten brandmarken.

Wiederauferstehung der Sozialpartnerschaft

Aber es gibt auch eine andere Interpretation. Die Geschichte zeigt, dass Krisen oft demokratische Entwicklungen befördert haben. In den USA folgte auf den Börsenkrach der Zwanzigerjahre Roosevelts New Deal. Hierzulande kamen nach der Wirtschaftskrise infolge des Ersten Weltkriegs die noch immer vorbildlichen Errungenschaften des Roten Wien. (Wenig später allerdings der Nationalsozialismus.) Und heute erleben wir in Österreich die Wiederauferstehung der schon für tot erklärten Sozialpartnerschaft. Einer der besten Momente der letzten Wochen war der gemeinsame Auftritt von Wirtschaftskammer- und Gewerkschaftschef, die in Rekordtempo ein allgemein akzeptiertes Kurzarbeitsmodell zustandegebracht hatten.

Was passiert, wenn Privatinteressen wichtiger sind als das Gemeinwohl, haben wir im Fall Ischgl gesehen. Das war das Paradebeispiel für weniger Staat, mehr privat. Und in den USA dämmert es inzwischen vielen, dass ein Zustand, in dem Millionen nicht krankenversichert sind, nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Vertrauen in den Staat

Die Tradition in Österreich, die noch auf die Monarchie zurückgeht, ist ein gewisses Grundvertrauen in die Institutionen des Staates. Während in Italien viele nach dem Grundsatz leben: Der Staat betrügt uns, wir betrügen den Staat, traut man hierzulande vor allem den Beamten, dem Herrn Hofrat und dem Herrn Inspektor, zu, dass sie im Sinne der Bürger agieren. Das kann in Zeiten der Krise ein Vorteil sein. Viele Ausländer, besonders Italiener, bewundern denn auch die Disziplin, mit der sich die Österreicher an die Maßnahmen der Regierung halten.

In der Krise ist nach der Krise. Wenn eines Tages wieder alles normal ist, werden wir sehen, welche Lehren wir aus dem Ausnahmezustand gezogen haben. Geht es in Richtung mehr Obrigkeitsstaat? Oder in Richtung mehr Demokratie? Das optimistische Szenario: ein starker demokratischer Staat mit einer starken Zivilgesellschaft. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 2.4.2020)