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PRO: Im September weitermachen

von Olivera Stajic

Es scheint so, als werde es in diesem Schuljahr keinen geregelten Unterricht mehr geben. Der Bildungsminister gibt sich zögerlich und reagiert in Interviews auf konkrete Fragen ungeduldig und ausweichend. Zu Hause sitzen verwirrte Kinder und überforderte Eltern. Sie werden von nicht minder überforderten Lehrern und Lehrerinnen mit Aufgaben beschickt.

Die Umstellung auf digitales Klassenzimmer und Homeschooling hat alle Beteiligten überrascht. Sie trifft aber nicht alle mit gleicher Härte. Für viele Familien ist es schlicht unmöglich, eine "Lernstruktur zu Hause aufzubauen", wie es Bildungsexperten jetzt raten. Es fehlt ihnen an Platz, Zeit, Wissen und Equipment. Die Grenzen verlaufen zwar nicht exakt an der Linie zwischen "bildungsnah" und "bildungsfern", aber auch im schulischen Bereich trifft die Krise die ohnehin Benachteiligten härter als andere.

Die einzig faire Lösung wäre jetzt: Schwamm drüber, im September machen alle im neuen Schuljahr weiter. Es gibt keine Abschlussnoten, und niemand bleibt sitzen.

Um die Leistungsmoral der Schüler und Schülerinnen muss sich niemand Sorgen machen. Dieser Ausnahmezustand fühlt sich für niemanden wie ein Geschenk oder gar wie eine Belohnung an. Bestenfalls lernen unsere Kinder in dieser Krise, dass man aufeinander schauen soll, und nicht, dass man unter allen Umständen Leistung erbringen muss. Schon gar nicht auf Kosten psychischer Gesundheit.(Olivera Stajic, 2.4.2020)

KONTRA: Jetzt mehr lernen denn je

von Thomas Mayer

Eltern von schulpflichtigen Kindern haben es in Zeiten der familiären Selbstisolierung ohne Zweifel ganz besonders schwer. Existenzängste, Sorge um den Arbeitsplatz, und dann auch die energiegeladenen Kleinen zu Hause, das schlägt auf Gemüt und Nerven.

Sie verdienen jede Hilfe. Aber es führt kein Weg daran vorbei: Wenn wir alle uns als Gesellschaft vor dem Coronavirus schützen und den Tod Tausender verhindern wollen, dann müssen wir uns noch einige Zeit zusammenreißen – und so gut es geht zu Hause bleiben.

Das ist für Schüler ebenso hart. Sie brauchen den Kontakt zu Schulfreunden. Umso sinnvoller ist es, sie nicht allzu vorschnell aus ihren Gewohnheiten, aus ihrer Arbeit, dem Lernen rauszureißen. Was Eltern noch mehr fürchten müssen als Zeugnisse oder die Matura des Nachwuchses am Semesterende, ist: Langeweile und Untätigkeit.

Die droht unweigerlich, würde der Bildungsminister bereits nach zwei Wochen Unterrichtspause das Schuljahr für beendet erklären. Die Kinder verlören das Ziel eines Abschlusses aus den Augen. Demotivierend. Es muss umgekehrt laufen. Lehrer berichten, dass Kinder in der Krise an Aufgaben wachsen, aushelfen, Kontakte herstellen, neue Lernformen ausprobieren. Das ist der Weg. Minister Heinz Faßmann: bitte anpacken! Tausende Notebooks für Schüler einkaufen, die keines haben. Die Telekom könnte WLAN für alle – unbegrenzt – spenden. Das wäre Lernmotivation. Die Schüler würden es mit Auszeichnung meistern! (Thomas Mayer, 2.4.2020)