Raumfahrer sind in Zeiten der Coronavirus-Pandemie nützliche Ratgeber. "Wenn du dauernd am selben Ort lebst und arbeitest, kann die Arbeit alles andere überschatten", schrieb der US-Amerikaner Scott Kelly kürzlich in der "New York Times". Der Mann weiß, was Isolation bedeutet. Kelly verbrachte mehr Zeit im All als jeder andere Nasa-Astronaut, zuletzt war er 2015 fast ein ganzes Jahr durchgängig auf der Internationalen Raumstation (ISS). Sein Tipp: Ein fixer Tagesablauf mit viel Freizeit, Bewegung, Büchern und Videotelefonie mit den Liebsten wirkt Wunder, wenn man über längere Zeit hinweg nicht nach draußen kann.

Isoliert sind auch jene drei Raumfahrer, die planmäßig am 9. April zur ISS fliegen und die dortige Crew unterstützen sollen – es muss unbedingt ausgeschlossen werden, dass sie das Virus Sars-CoV-2 mit auf die Station bringen. Im All angekommen, könne man aufatmen, sagt der russische Raumfahrer Anatoli Iwanischin, der auf seinen Start wartet: "Die ISS wird in den kommenden Monaten der sicherste Ort sein."

Verspätet zu Mond und Mars

Abseits der Raumstation schlagen die Folgen der Pandemie für die Raumfahrt immer deutlicher zu Buche. Am europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana wurden bis auf Weiteres Raketenstarts eingestellt, große Raumfahrtagenturen wie Nasa und Esa haben weitgehend auf Homeoffice umgestellt, etliche Forschungssatelliten wurden in den Schlafmodus versetzt, Montagewerke geschlossen. Nur noch die wichtigste Infrastruktur wird am Laufen gehalten – für bereits fixierte künftige Missionen verheißt das nichts Gutes.

Der europäische Marsrover Rosalind Franklin muss noch bis 2022 auf der Erde bleiben.
Illustration: Esa/ATG medialab

Die Esa hat bereits Mitte März angekündigt, den eigentlich für Sommer 2020 vorgesehenen Start des Marsrovers Rosalind Franklin um zwei Jahre zu verschieben. Fallschirmprobleme hatten das Projekt schon zuvor in zeitliche Bedrängnis gebracht, angesichts der aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie entschied man sich endgültig für die Verschiebung. Die US-Weltraumbehörde Nasa hält hingegen noch am Starttermin für ihren neuen Marsrover Perseverance in diesem Sommer fest, legte aber ihre ambitionierten Mondprojekte auf Eis. Das Vorhaben der US-Regierung, bis 2024 wieder Menschen auf den Mond zu bringen, dürfte damit wackeln.

Teleskop in der Warteschleife

Für die Wissenschaft wäre aber eine andere drohende Verzögerung weitaus bitterer: Ob der Starttermin für das James-Webb-Weltraumteleskop 2021 halten wird, ist äußerst fraglich. Die Vorbereitungsarbeiten für das bisher leistungsfähigste Weltraumteleskop, das seinen Vorgänger Hubble in jeder Hinsicht übertreffen soll, mussten ebenfalls unterbrochen werden. Astronomen in aller Welt versprechen sich revolutionäre Daten von der rund 8,5 Milliarden Euro schweren Mission. Sie soll das Licht der ersten Sterne und Galaxien nach dem Urknall untersuchen und Exoplaneten genauer charakterisieren.

Auch das James-Webb-Weltraumteleskop, dessen Start schon mehrfach verschoben werden musste und zuletzt für 2021 vorgesehen war, muss sich wohl auf eine weitere Verzögerung einstellen.
Foto: NASA/ESA/CSA

Für die 2018 gestartete europäisch-japanische Merkursonde Bepicolombo läuft dagegen alles nach Plan: Sie wird am 10. April zum letzten Mal an der Erde vorbeifliegen, ehe sie ins innere Sonnensystem weiterreist. Gesteuert wird sie dabei vom Esa-Kontrollzentrum in Darmstadt aus – in Minimalbesetzung. (David Rennert, 2.4. 2020)