Ein Meter Abstand, das sei die Grundregel, betonte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei der Pressekonferenz am Donnerstag. Fachinformationen gaben Bernhard Benka aus dem Gesundheitsministerium (links im Bild) und Franz Allerberger von der Ages (rechts im Bild).

Foto: APA

Wien – Am Donnerstag ist es zu Missverständnissen rund um den ersten positiv getesteten Fall in Ischgl gekommen. Auf der Pressekonferenz von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wurde fälschlicherweise von einer Schweizerin gesprochen, die am 5. Februar erste Symptome zeigte, aber erst am 9. März getestet wurde. "Dem Land Tirol liegen keine derartigen Informationen vor", hieß es in einer Aussendung des Landes vom Nachmittag.

Der erste positive Fall in Ischgl sei der Barkeeper der Bar Kitzloch, dessen Testung am 7. März vorlag. Die Schweizerin, ebenfalls Kellnerin der Bar, wurde im Zuge dessen getestet, und gab an, am 5. März erste Symptome gehabt zu haben. Ihr positives Testergebnis lag am 9. März vor, hier decken sich die Daten der Ages mit jenen der Tiroler Gesundheitsbehörden. Das Gesundheitsministerium korrigierte später die Angaben: "Hier dürfte bei der Eingabe in oder Übernahme aus dem EMS-System ein Eingabefehler passiert sein, es bleibt in diesem Fall beim Datum 5. März", stellte das Gesundheitsministerium in einer Aussendung klar.

Höhepunkt bei Hospitalisierten womöglich überschritten

Auf der Pressekonferenz hatte Anschober Einblick in die aktuelle Situation der Corona-Pandemie in Österreich gegeben und sprach mit Stand 9.30 Uhr von 10.923 bestätigten Erkrankungen, 1.075 Hospitalisierungen, 227 Menschen werden auf Intensivstationen behandelt. 158 Personen sind gestorben, 1.749 bereits genesen. Die Zahl der Genesungen nehme derzeit am stärksten zu, sagt Anschober.

Damit entwickelten sich die Zahlen der Neuinfizierten, Hospitalisierten und Verstorbenen in den vergangenen Tagen deutlich günstiger als in den Prognosemodellen, die sich an Worst-Case-Szenarien orientierten. Bei den Hospitalisierten (1075) könnte man den Höhepunkt womöglich schon überschritten haben. Diese Zahlen gehen leicht zurück, die Patienten auf den Intensivstationen nehmen weiter leicht zu.

Den fünften Tag hindurch gebe es nur eine einstellige Zuwachsrate an Erkrankten. Konkret sind es am Donnerstag 5,66 Prozent, erstmals auch in allen Bundesländern. Anschobers Fazit: "Die Maßnahmen greifen, aber wir sind weit davon entfernt, dass wir unsere Ziele erreicht haben." Auch die Verdoppelungsrate gehe zurück. Vor drei Wochen gab es eine Verdoppelung nach 2,4 Tagen, vor zwei Wochen lag sie bei vier Tagen und derzeit bei knapp acht Tagen. Das sei eine gute Entwicklung, aber man müsse bei einer Verdoppelungsrate von zwei Wochen ankommen. "Dann haben wir Stabilität bei den Neuerkrankten", sagt der Gesundheitsminister.

Mehr Testungen als in Meldungen ersichtlich

Die Testungen seien "massiv ausgebaut" worden, mittlerweile testen über 40 Labore in Österreich die Proben. Anschober betont, dass es deutlich mehr Testungen gebe, als in der Tagesmeldung ersichtlich, weil die kleineren Labore noch nicht mit der Schnittstelle verbunden sind, die direkt Daten ins Epidemiologische Meldesystem (EMS) einspeist. In Summe seien mittlerweile bereits 92.190 Testungen in Österreich durchgeführt worden. Ebenfalls heißt es aus dem Ministerium, arbeite man daran, dass die Wartezeit zwischen der Testung und dem Ergebnis möglichst kurz gehalten wird.

Ausreichend Kapazitäten in Labors

Es gebe auch ausreichend Kapazitäten in den Labors, 20.000 Tests pro Tag würde man schaffen. Auf die Frage nach den umkämpften Reagenzien heißt es: 42.000 Testkapazitäten würden derzeit vorliegen, für die nächsten Tage sei ausreichend da, aber man müsse am internationalen Markt zukaufen.

Bei denjenigen, die aus beruflichen Gründen weiterhin Kontakt mit Menschen haben, etwa in Pflege- und Gesundheitsberufen oder in Supermärkten, wurden erstmals schwerpunktmäßige Testungen durchgeführt. Am Samstag und Montag wurden 1200 Personen in vier Pflegeheimen, drei Krankenhäusern und mehreren Supermärkten getestet. Das Ergebnis laut Bundeskanzleramt: Von den 365 Proben in den Pflegeheimen waren drei positiv. Drei positive Tests gab es auch bei den 444 Proben in den Spitälern. Die 352 Proben in den Supermärkten waren allesamt negativ. Aufgrund der geringen Repräsentativität sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen.

Weitere solcher Tests seien geplant, sagt Anschober. Bei der Antikörper soll es auch bald Tests geben, die dann in bestimmten Berufsgruppen ausgerollt werden sollen, etwa bei Krankenhauspersonal.

700 Testungen pro Tag bei der Ages

Diese Testungen führt unter anderem die Ages durch. Dazu gab Franz Allersberger, Leiter des Bereichs Humanmedizin bei der Ages, Auskunft. Am 11. Februar habe man mit zwei Proben angefangen, mittlerweile sei man bei über 700 Testungen pro Tag. Die Ages hat derzeit 17,4 Prozent der Testungen übernommen, aber auch die Med-Uni Wien habe mindestens so viele durchgeführt, sagt Allersberger.

Die Zahlen zeigten, dass sich der Großteil der Erkrankten hierzulande in Österreich angesteckt habe. Allersberger geht davon aus, dass sich 3,6 Prozent der Fälle im Ausland infizieren. "Wir gehen davon aus, dass sich bald ein Prozent der Leute angesteckt hat, das sind immerhin 90.000 Menschen", sagt er. Und: Das Virus sei noch nicht mutiert, man gehe davon aus, dass man danach immun sei und man bei einer leichten Erkrankung maximal acht Tage ansteckend ist, sagt Allersberger.

Patientin null nicht aus der Schweiz

Allersberger gibt auch Einblicke in die Cluster. Mittlerweile gebe es 40 Cluster in Österreich, deren Größe sich in den meisten Fällen auf maximal zwölf betroffene Personen begrenze. Der dominierende und größte sei der sogenannte Cluster S, der das Paznauntal umfasst, wo sich die meisten in Après-Ski-Lokalen angesteckt haben. Das habe zu 600 Infektionen von Österreichern und doppelt so vielen Personen aus dem Ausland geführt.

Es gibt laut Allerberger auch zwei weitere "importierte Fälle": Zwei norwegische Erasmus-Studierende haben das Virus aus Bologna bei ihrem Ski-Urlaub nach Ischgl gebracht. Ebenfalls zeige sich bei dem Cluster, dass die Ausbreitung über Generationen geht – ein Mann, der mit dem Virus infiziert ist, stecke seine Ehefrau an und diese ihren Sohn. Anschober betont allerdings: Wer keine Symptome hat und trotzdem arbeiten geht, dem dürfe nicht vorgeworfen werden, dass er oder sie etwas falsch gemacht habe. "Bitte nicht personalisieren." Das Grundthema sei die Abstandsregel. Dort, wo es kein Bewusstsein dafür gebe, entstehen diese Cluster, sagt der Gesundheitsminister.

Wie das Meldesystem funktioniert

Wie werden nun die positiv getesteten Fälle gemeldet? Das erklärte Bernhard Benka aus der Taskforce des Gesundheitsministeriums. Das Meldesystem funktioniere "gut und verlässlich", in Europa gibt es das Frühwarnsystem EWRS, und international steht ein WHO-System zum weltweiten Austausch zur Verfügung.

Konkret sehe man sich an, seit wann die Person Symptome habe, dann rechne man zwei Tage zurück, mache die Kontaktpersonen ausfindig sowie wo sich die Person aufgehalten habe – um herauszufinen, wo sie sich angesteckt habe.

Am 30. Jänner 2020 wurde die erste Meldung an Deutschland abgegeben. Fünf bis zehn Personen im Ministerium beschäftigen sich mit diesen Meldungen, auch der Rückverfolgung von Kontaktpersonen auf Flügen und Kreuzfahrtschiffen. Bis Ende März wurden die Passagierlisten von 55 Flügen und 1.500 Kontaktpersonen weitergeleitet und 16.800 Personen an 94 Staaten weitergemeldet, davon 13.300 aus EU-Ländern. Meldungen, die von außen gekommen sind, werden dann den Landessanitätsbehörden oder den Bezirksverwaltungsbehörden weitergeleitet. 1.200 Personen wurden so innerhalb Österreichs gemeldet.

Risikogrupen identifizieren Krankenkassen

Ebenfalls wurde darauf eingegangen, wie es mit den Schutzmaßnahmen für die Corona-Risikogruppen weitergehe, die, wenn möglich, Homeoffice machen oder eine bezahlte Freistellung erhalten sollen. Die Identifikation älterer Menschen in Pflege- und Pensionistenheimen sowie Personen mit einer "massiv reduzierten Immunabwehr", etwa nach einer Krebserkrankung oder Operation, sowie Personen mit einer schweren Diabetes soll von den Krankenkassen durchgeführt werden, auch über die elektronischen Elga-Daten. Der Kreis der Betroffenen soll bis zum Wochenende bekannt sein, die Umsetzung der Maßnahme erwartet Anschober nächste Woche. (set, tasch 2.4.2020)