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Ein Großteil der Menschen in Afrika hat kein Bankkonto.

Foto: Reuters

Was haben Onlinebanken wie N26, Revolut und Facebooks elektronisches Geldbörsel Calibra gemeinsam? Sie sind in so manchem afrikanischem Land mehr Fremdwort als Bank. In armen Regionen ohne flächendeckenden Internetzugriff gibt es zwar längst bargeldlose Überweisungen. Die Anbieter sind aber oft lokale Telekoms und nicht globale Konzerne. "Mobile Money" heißt das Phänomen, "mobiles Geld" in freier deutscher Übersetzung. Gemeint ist Geld, das jeder verschieben kann, der ein Handy hat. Auch per SMS. Bei den meisten Dienstleistern reicht ein Handyvertrag, der praktisch als Konto dient: Man zahlt bar ein und kann das Geld dann verschicken.

Allerdings nicht überall hin. Viele Mobile-Money-Anbieter operieren nur lokal, weiß Emma Smith. Wer etwa Geld von Südafrika nach Uganda schaffen will, muss auf Anbieter wie Western Union zurückgreifen und teils hohe Gebühren zahlen. Außerdem ersetzt mobiles Geld auch keine Bankleistungen wie Kredite oder Versicherungen. Die Amerikanerin hat deshalb gemeinsam mit Stone Atwine und Ronald Kasendwa aus Uganda ein Unternehmen gegründet, das dies ändern soll: eine Bank für mobiles Geld.

Neo-Bank für Afrika

Eversend heißt das Start-up der drei Gründer, das in Paris sitzt und sein Produkt bereits in Uganda, Kenia und Ghana auf den Markt gebracht hat. Das Start-up wurde 2017 gegründet soll die Neo-Bank für Afrika werden, gibt Smith als Ziel aus. Also das, was beispielsweise N26 in Europa ist. Nur eben auf Basis von "Mobile Money".

70 Prozent der Afrikaner hätten kein Bankkonto, sagt Smith, die DER STANDARD im Rahmen einer Konferenz des Darwin Circle in Wien getroffen hat. Weniger als sieben Prozent hätten Zugang zu Krediten, so die Gründerin, nur zwei Prozent der Afrikaner seien versichert. Gleichzeitig nutzen rund 400 Millionen Menschen in Afrika mobiles Geld, rechnet Smith vor: "Verrückt, dass noch keiner auf die Idee gekommen ist, eine Neo-Bank für Afrika zu gründen." Vor allem, weil rund zwei Drittel der Afrikaner offline seien und man deshalb nicht einfach mit einer Internetbank starten könne.

Dabei hat Eversend keine eigene Lizenz als Kreditinstitut. Noch nicht. Allerdings würde man um diese erst ansuchen, sobald das Start-up genügend Geld gesammelt hat. Bisher arbeiten die drei Gründer mit Telekoms und Drittanbietern – zum Beispiel Versicherern – zusammen und vermitteln Angebot und Nachfrage für Finanzdienstleistungen.

Emma Smith spricht über ihr Start-up.
Foto: Samuli Pentti

Umsatz mit Transaktionen über Grenzen

Derzeit macht Eversend den meisten Umsatz mit Transaktionen über Landesgrenzen, für die das Start-up eine kleine Gebühr verrechnet. Auch für den Abschluss von Versicherungen kassiert Eversend Geld von den Anbietern. Sobald das Kreditgeschäft in Gang kommt, versprechen sich die Gründer auch Einnahmen aus Zinsen. Bisher haben die Gründer Geld von drei Business Angels aus Finnland, Irland und Frankreich und einem Risikokapitalfonds an Land ziehen können. Davor war Eversend Teil eines Accelerator-Programms.

Derzeit habe man 33.000 registrierte Nutzer, bereits mehr als eine Million Dollar seien via Eversend bereits versandt worden, erzählt Smith. Das Unternehmen wachse allerdings rasant. Smith rechnet mit einem kurzfristigen Wachstum auf 700.000 registrierte Nutzer. "Bei unseren jetzigen Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent ist das realistisch." Derzeit setzt Eversend hauptsächlich auf die Weiterempfehlung durch Kunden. Wer einen neuen Kunden wirbt, bekommt ein bisschen Geld gutgeschrieben, erzählt Smith.

Großer Markt

Der Markt für mobiles Geld ist groß. In zwei Dritteln aller armen Länder weltweit gibt es inzwischen mobiles Geld. Der erste Dienstleister ging 2001 auf den Philippinen an den Start, 2017 operierten weltweit bereits 276 Anbieter – rund die Hälfte davon in Subsahara-Afrika, zum Beispiel M-Pesa in Kenia. Mehr als 14 Milliarden Dollar wurden 2017 über mobile Plattformen versandt, 2011 waren es noch weniger als zwei Milliarden.

Früher oder später werden auch N26 oder Calibra den afrikanischen Markt entdecken, ist sich Smith sicher – spätestens wenn mehr Menschen auf dem Kontinent online sind. Schließlich sei das Wachstumspotenzial riesig. Das würden auch Investoren immer deutlicher erkennen. "Auch wenn immer noch viele davonlaufen, wenn sie Afrika hören", scherzt Smith. In Ruanda und Nigeria will Eversend schon bald als Nächstes auf den Markt gehen. Bis große Finanzdienstleister Afrika entdecken, will Eversend so weit wachsen, dass die Konkurrenz mächtiger Konzerne das Start-up nicht aus dem Markt drängt. (Aloysius Widmann, 9.4.2020)