Hausmusik statt Proberaum: Das Musizieren in den eigenen vier Wänden sorgt nicht bei allen Nachbarn für Begeisterung.

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Die Videos aus Italien bewegten die Welt: Vor einigen Tagen musizierten dort landauf, landab Menschen auf ihren Balkonen, um einander Mut in Zeiten der Corona-Krise zu machen. In Österreich gab es einige Tage später eine ähnliche Aktion – allerdings mitunter mit anderen Reaktionen. "Ruhe", schrie auf einem auf Twitter verbreiteten Video eine Wienerin einem Sänger in einem Fenster zu. "So schön ist das auch nicht", fügte sie in breitem Wienerisch noch hinzu.

Ernüchterndes Feedback für die Künstler, die auf Balkonen und Fenstern aufgetreten waren. Aber Lärm ist auch in deutlich ruhigeren Zeiten einer der Hauptstreitpunkte in Wohnhäusern. Derzeit häufen sich bei Mieterschutzverbänden besonders viele Anfragen und Beschwerden dazu. Über musizierende Nachbarn beispielsweise, die früher in Proberäumen geübt haben, jetzt aber zu Hause bleiben müssen. Oder über Nachbarn, die zwar immer schon daheim musiziert haben – allerdings zu Tageszeiten, zu denen die Nachbarn alle in der Arbeit waren und von dem geräuschintensiven Hobby nichts mitbekommen haben. Jetzt sitzen alle zu Hause – und bekommen von den Menschen, die nebenan wohnen, mehr mit, als ihnen lieb ist.

Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband glaubt allerdings auch, dass in der derzeitigen Extremsituation viele stört, was sie im geregelten Alltag kaltlassen würde: "Lärm gibt es immer, aber meistens sieht man darüber hinweg", sagt er. An bestimmte Zeitfenster, in denen es im Haus ein wenig lauter ist, weil die Kinder des Nachbarn spielen, habe man sich im Wohnalltag meist gewöhnt. Derzeit sei die Lage aber in vielen Wohnungen angespannter, die Stimmung gereizter – und die Lärmtoleranz dann eben entsprechend niedriger, weil man der Musik länger ausgesetzt ist.

Lautes Heimkino

Auch die Mieterhilfe der Stadt Wien berichtet auf Facebook von mehr Beschwerden in dieser Richtung. Ein Problem seien auch "Unterhaltungsgeräte mit Hightech-Ausstattung" und "tollen Soundsystemen", die zwar für Heimkino-Atmosphäre sorgen, aber die Lärmtoleranz der Nachbarn auf die Probe stellen können.

Bei Fragen des Lärms geht es – Corona hin oder her – immer um die Frage der Ortsüblichkeit. Nach 22 Uhr sollten Geräusche nicht mehr über die Zimmerlautstärke hinausgehen. Hält sich ein Nachbar nicht daran, kann die Polizei gerufen werden, die, so Kirnbauer, mal strenger, mal weniger streng Verwaltungsstrafen verhängt.

Ein Vermieter könne einem Mieter bei wiederkehrender Lärmbelästigung zwar theoretisch mit einer Kündigung drohen, so Kirnbauer: "Ein bisschen Klavierspielen und Singen wird dafür aber sicher nicht reichen." Er sieht im Lärm aber weniger ein rechtliches als ein soziales Problem. Am Ende könne man in der aktuellen Situation wohl nur an die Vernunft der anderen Hausbewohner appellieren "und irgendeinen Modus finden, der für alle erträglich ist". Zeiten, zu denen munter musiziert werden darf, und Zeiten, zu denen mehr Ruhe herrscht.

Anklopfen geht derzeit nicht

Bei der nachbarschaftlichen Konfliktkommunikation kommt aber derzeit erschwerend hinzu, dass das einfache Anklopfen beim Nachbarn, um ein Gespräch zu suchen, ausfallen muss. Social Distancing gilt auch im Wohnhaus. Bleibt also nur, per E-Mail, Brief oder telefonisch in Kontakt zu treten – und im Zweifel die Musik ein wenig leiser zu drehen. (Franziska Zoidl, 3.4.2020)