Trotzig stemmt sich RTL gegen ein Aus wie die Bordkapelle auf der Titanic, die bis zum Untergang weiterfidelte.

Foto: RTL

Der Applaus kommt, wie die Musik, seit drei Wochen nur mehr vom Band, kein Publikum sitzt auf den Rängen des zum Tanzsaal umdekorierten Fernsehstudios, Jury und Moderatoren wahren den Zwei-Meter-Sicherheitsabstand – einzig die Tanzpaare, Promi und Profi, dürfen einander nach gelungenen Seitausfallschritten oder tapsigen Quickstepps noch umhalsen.

Es fehlen vertraute Elemente, die Atmosphäre im Ballsaal (man verwendet das Wort ungern) kränkelt. Die Darbietungen der Tänzer, die Gags der Moderatoren verhallen trotz des Einsatzes von Scheinwerferblitzen und Trommelwirbel seltsam still im Raum. Dennoch sind es zwei verlässliche Konstanten, die Let's Dance, eine der letzten Shows, die noch nicht von der Pandemie aus dem Hauptabend verdrängt wurden, am Freitag auf RTL kennzeichnen: die unerschütterliche Banalität und die guten Quoten (zuletzt 4,67 Millionen Zuseher in Deutschland).

Das Live-Feeling mag fehlen, die Show wird trotzdem als Gerippe weitergeführt. Trotzig stemmt sich RTL gegen ein Aus wie die Bordkapelle auf der Titanic, die bis zum Untergang weiterfidelte. Da verkommt es mittlerweile zur Nebensache, wer tanzt und wie er tanzt, wer fliegt und wer weitersteppt. Die Quote wird im Moment von etwas ganz anderem gesichert: vom beruhigenden Zusehgefühl, das diese fröhliche Parallelwelt mit ihrem maskenfreien Glitter, Kunstnebelgewaber und ihren harmlosen Witzchen erzeugt, während wir da draußen (oder eigentlich drinnen) versuchen, mit der Mangeldiät an menschlichen Kontakten zurechtzukommen. (Nana Siebert, 3.4.2020)