Neos-Abgeordnete Henrike Brandstötter zieht gerne um die Häuser. Nun entdeckt sie im Homeoffice ihre Wohnung im fünften Bezirk neu – mit Camping-Tischerl und Potemkin’schen Sakkos zum Videotelefonieren.

"Eigentlich, wenn grad nicht Corona ist, bin ich eine fürchterliche Leischn, also eine, die Tag und Nacht um die Häuser zieht und fast nie zu Hause ist. Aber jetzt ist Corona, und so erkenne ich, dass die Wohnung nicht nur ein Ort zum Schlafen und Glumperthorten ist. Plötzlich bin ich auf meine Couch zurückgeworfen und bin gezwungen, hier zu wohnen, hier zu arbeiten und hier meine Team-Meetings mit den Neos abzuhalten. Mein Sohn ist zwar schon ausgezogen, wohnt in einer verranzten WG und kocht vegan, aber seit drei Jahren wohne ich mit meinem Mann zusammen, und wenn die eine grad eine Videokonferenz hat und der andere zur viel zu lauten Kaffeemaschine durchs Bild rennt, dann merkt man, dass man sich irgendwie organisieren muss.

Auch Henrike Brandstötter nutzt ihr Zuhause im 5. Bezirk gerade als Büro.
Fotos: Michael Hafner

Die Wohnung hat ein acht Quadratmeter großes Kammerl, das bis heute nie eine Funktion hatte – außer dass hier Gästebett, Wäscheständer und Koffer herumstehen. Doch jetzt merke ich, dass mich der Ehrgeiz packt und dass ich mich für meine Facetimes und Zoom-Talks und MS-Teams-Sessions nach einer g’scheiten Büroumgebung sehne. Also hab ich mir online einen kleinen, zusammenklappbaren Camping-Tisch gekauft, der in den nächsten Wochen als getarnter Bürotisch herhalten wird und den wir im Sommer, wenn wir wieder herumfahren dürfen, zum Campen mitnehmen werden. Ich liebe das Ding jetzt schon!

"Die Wohnung ist ein buntes Durcheinander", sagt Henrike Brandstötter.
Fotos: Michael Hafner

Das Gute ist: Bei den Neos ist etwa die Online-Mitgliederversammlung in den Statuten festgehalten, wir waren immer schon Digital Natives, daher ist das digitale Arbeiten von zu Hause aus auch jetzt kein Problem. Aber es ist anstrengend, und außerdem muss man darauf achten, dass man sich – sobald die Videokamera eingeschaltet ist – schnell noch des Bademantels entledigt und sich ein Sakko drüberstreift und so tut, als sei man schon geduscht und gut gekämmt. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie wenig man manchmal unten drunter anhat und wie leicht es ist, trotzdem ein einigermaßen seriöses Bild abzugeben.

"Die Küche ist eine gepimpte Ikea-Küchenzeile mit Messingknöpfen und einer Rückwand aus pink lackierten OSB-Platten", erzählt Henrike Brandstötter.
Fotos: Michael Hafner

Das ist eine Genossenschaftswohnung mit 90 Quadratmetern im fünften Bezirk in der Johannagasse, in der schiachsten Gasse Wiens. Ich wohne hier seit bald 15 Jahren. Der Grundriss ist ein Albtraum, aber mit der Zeit gewinnt man sich trotzdem lieb. 2017 ist mein Mann Michael Hafner, der einen kleinen Verlag betreibt, eingezogen – mit einem monströsen Gasgriller, mit hunderten Büchern und mit einem Plastikkrokodil. Das Plastikkrokodil wohnt heute auf dem Kühlschrank und passt gut zu unserem Affenskelett Hansi. Den Hansi haben wir einmal in einer Schule im Biologiekammerl gefunden und für ein Buchcover fotografiert, und danach hat ihn uns der Direktor geschenkt. Hansi sitzt in der Küche und schaut uns beim Kochen zu.

Das Affenskelett Hansi hat Brandstötter im Biologiekabinett einer Schule gefunden.
Fotos: Michael Hafner

Ansonsten ist die Wohnung ein buntes Durcheinander mit vielen Farben und Pölstern aus afrikanischen Stoffen, die wir in Ghana, in Ruanda oder im Kongo gekauft haben. Ich liebe diese Muster. Man muss nur aufpassen, dass es nicht gleich ausschaut wie in einem Weltladen-Café.

Die Küche ist eine gepimpte Ikea-Küchenzeile mit Messingknöpfen und einer Rückwand aus pink lackierten OSB-Platten. Alles ist offen, so wie bei all denen, die schöner wohnen, aber ich bin mir sicher, dass sich nach der Corona-Krise die Wohnungsgrundrisse ändern werden. Alle wollen Wohnküche, doch jetzt ist der Tisch im Wohnzimmer plötzlich Esstisch, Büro und Schule zugleich, alle picken in einem Zimmer zam, and it all makes you completely narrisch.

Das Tele-Worken wird uns zu einem Teil erhalten bleiben, wir werden mehr Zeit zu Hause verbringen, und darauf wird wohl auch die Wohnungswirtschaft reagieren müssen – hoffentlich mit mehr Qualität und Individualität! Ich glaube an das Gute." (6.4.2020)